Überraschende Frauenquote: Sei Sophia, nicht Nikolaus

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Dieses fürchterliche Jahr hält auch good news für uns bereit. Diese sind ja angeblich schlecht fürs publizistische Geschäft (wobei ich hier ja eh kein Geschäft betreibe, sondern einen kostenlosen und werbefreien Blog). Hoffentlich lest ihr jetzt trotzdem weiter. 

Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere über einen Beitrag auf artemisia.blog Ende 2018, in dem es um die Frauenquote in österreichischen Galerien ging. Sie lag damals bei 38,5 Prozent. Nicht berauschend, immer dieser Dreier vor dem Frauenanteil.

Liesl Raff, Ausstellungsansicht, Sophie Tappeiner
Liesl Raff, Ausstellung „covered“, Galerie Sophie Tappeiner, Foto: Georg Petermichl

Kürzlich fragte eine junge Kollegin bei mir nach, ob ich aktuellere Zahlen zu dem Thema hätte. Das brachte mich auf die Idee, mal wieder nachzuzählen. Und das Ergebnis ist erfreulich – mit einigen Wermutstropfen, die leider aber doch ziemlich brennen. Da ich kein professionelles Institut bin, ist die Aufstellung – ihr findet sie am Ende dieses Artikels – etwas handgestrickt.

Frauenquote bei Galerien-Solos

So ging ich vor: Als Basis diente die erste Liste von 2018. Darin nahm ich Galerien auf, die bei der Viennacontemporary ausstellten und eruierte die Frauenquote bei Soloshows 2017 und 2018. Nicht berücksichtigt sind Messeauftritte. Diese wären aussagekräftig, doch die Recherche administrativ nicht zu bewältigen. 

Für die neue Zählung erweiterte ich diese Liste: Denn zahlreiche relevante Galerien fehlten, zum Beispiel Steinek und Kargl. Auch neue, damals in Wien noch nicht oder nicht lang genug existierende Galerien wie Exile werden jetzt berücksichtigt. Außerdem sind jetzt mehr aus den Bundesländern dabei. Als Unterstützung dafür diente der Gallery Guide Austria. Dennoch sind einige nicht auf der Liste: Zum Beispiel weil sie in den drei Jahren wenige Einzelausstellungen gezeigt haben. Oder weil es schwierig war, das Programm seit 2020 zu eruieren. Manche sind auch erst zu kurz da, etwa Eva Presenhuber. Nicht berücksichtigt sind nonbinäre Künstler*innen, die als  Pronomen „they“ bevorzugen – es sind nicht rasend viele –, ebenso wenig wie gemischtgeschlechtliche Künstlerpaare. Männliche oder weibliche Duos (wie zum Beispiel Gabriele Fulterer und Christine Scherrer bei Sophia Vonier) allerdings schon. Es sind auch Ausstellungen mitgezählt, die in kleineren Galerieräumlichkeiten stattfinden, also zum Beispiel in der Kargl Box. Da ich nicht den Eindruck hatte, dass man dorthin die Frauen abschiebt, habe ich sie aber mitgerechnet. So sollte sich insgesamt eine repräsentative Mischung ergeben. 

Vonier
The Painter’s Delight – Julia Brennacher, bis 21. Jänner 2023 / Courtesy Galerie Sophia Vonier/Julia Brennacher (Foto: Hendrik Stoltenberg)

Die neue Zahl: 42,8!

Und hier ist die neue Zahl: 42,8! Das ist die Frauenquote in den heimischen Galerien, und sie ist natürlich noch immer um acht Prozentpunkte oder mehr vom feministischen Glück entfernt, aber: Seit 2018 um vier Prozentpunkte (und damit um mehr als zehn Prozent) gestiegen, jubeln wir einfach mal kurz.

Einiges an dieser Liste ist bemerkenswert. Erstens: Manche Galerien, natürlich von Frauen geführte, zeigten 100 Prozent Künstlerinnen. Bevor jetzt irgendwelche „Cancel-Culture“-Suderant*innen schreien, was für ein Unrecht diese Benachteiligung von Männern doch sei: Bitte schaut einfach doch noch mal auf die Frauenquote: 42,8 – das bedeutet auch 57,2 Prozent Männer. Und denkt dran, dass es himmelschreiende historische Versäumnisse aufzuholen gilt.

Sophia Vonier in Salzburg ist nicht nur eine großartige Vermittlerin, sondern sticht auch durch ihr Engagement für Künstlerinnen hervor. Acht zu null! Bei Sophie Tappeiner, die die vorige Liste anführte, steht es elf zu null. Auch Lena Freimüllers Galerie3 in Klagenfurt setzt auf Künstlerinnen mit 15 zu zwei (darunter auch eine großartige Ausstellung von Margot Pilz, die ich aus naheliegenden Gründen jetzt einfach erwähnen muss). Es sind Galeristinnen, die noch nicht so viele Jahre in dieser Branche arbeiten – die Galerie 3 gibt es zwar schon länger, aber Lena Freimüller führt sie noch nicht so lange. Der vielstrapazierte Spruch, dass die Zukunft weiblich sei, könnte sich angesichts dieser Lage doch erfüllen. 

Margot Pilz in ihrer Ausstellung "Sassy Sequences", Galerie3, Klagenfurt (Foto: Johannes Puch)
Margot Pilz in ihrer Ausstellung „Sassy Sequences“, Galerie3, Klagenfurt (Foto: Johannes Puch)

Erfreuliche Entwicklungen

Bei manchen Galerien, die schon lange tätig sind, zeichnet sich eine erfreuliche Entwicklung ab: Krobath hatte bei der Aufstellung 2018 schon einen Frauenüberhang, das blieb gleich. Bei Meyer Kainer stand es damals fünf zu vier, jetzt ist es neun zu vier. Schwarzwälder hatte damals weniger Künstlerinnen als Künstler – jetzt steht es 23 zu 19, also ein Überhang. 

Ausstellungsansicht, Kris Lemsalu, „Love Stories", Meyer Kainer 2022 (vorne im Bild: Lady Flower, 2021)
Ausstellungsansicht, Kris Lemsalu, „Love Stories“, Meyer Kainer 2022 (vorne im Bild: Lady Flower, 2021) Fotos: Kati Göttfried/Courtesy Meyer Kainer, Wien

Einige Galerien fielen 2018 durch eine wirklich nicht berauschende Frauenquote auf und erhöhten diese. Bei Thoman stand es etwa zwei zu neun. Jetzt: 15 zu 22 (noch immer zu wenig, aber: immerhin). Charim damals eins zu fünf – jetzt: zehn zu neun! Offenbar gab es da einen Bewusstseinswandel. Toll!

Einige waren vorher grottig und sind jetzt immer noch weit, weit entfernt von einer Balance – haben die Frauenquote aber immerhin gehoben. Hilger: von drei zu 19 auf sechs zu 14. König: von eins zu fünf auf sieben zu 17 (der neue Raum von Robby Greif eingerechnet). Kandlhofer, die vorher nicht ganz so übel war wie andere: von sieben zu 15 auf 13 zu 18. Weiterhin nicht besonders: Krinzinger und Smolka. Auch Bechter Kastowsky, neu auf der Liste: zwei zu sechs.

Katrin Plavcak, Ausstellungsansicht Charim Galerie
Katrin Plavčak, „Short Circuit on the Motherboard“, Ausstellungsansicht Charim Galerie (Foto: Markus Gradwohl)

Das Schlechteste zum Schluss

Das Schlechteste zum Schluss. In manchen Galerien ist der Status nach wie vor: „Wir haben keine Künstlerinnen gefunden“. Und, komisch, es sind von Männern geführte Galerien. Und leider wesentliche Player wie Crone Wien und Ropac. Der Preis für die allerschlechteste Frauenquote geht an, tata: Nikolaus Ruzicska in Salzburg. Eins zu 14 – außer Brigitte Kowanz gab es keine Künstlerin, echt? Crone Wien zeigte Carola Dertnig und elf Künstler – ein fast exklusives Männerparadies. Bei Ropac blieb das Verhältnis annähernd gleich, nämlich ungefähr eins zu sechs. Was mich besonders schmerzt, denn ich hatte zuvor den subjektiven Eindruck, dass der international einflussreichste Galerist des Landes bei Künstlerinnen nachgezogen hätte. Aber da war meine Brille offenbar rosa eingefärbt. 

Nehmt euch ein Beispiel!

Trotz dieser Wermutstropfen: Es geht bergauf. Andere Sparten könnten sich in Sachen Frauenquote sogar ein Beispiel an den österreichischen Galerien nehmen (halt mehr an Sophia als an Nikolaus)! Zum Beispiel die Neue Musik, wo eine Veranstaltung der Plattform „Fraufeld“ bei Wien Modern erschreckende Einblicke in die Marginalisierung von Frauen in dieser Sparte gab. Oder der Klassikbetrieb, wo immer noch zu wenig Musik von Komponistinnen gespielt wird, wo ganze Jahresprogramme ohne Dirigentin auskommen. Natürlich auch das Theater, wo man sich fragt: Gibt es echt nie eine Frau (außer Karin Bergmann, die Troubleshooterin), die das Burgtheater führen kann?

Wenn es die nächsten sechs Jahre so weitergeht, dann haben wir in den Galerien die fünfzigprozentige Frauenquote erreicht. Es gibt schlechtere Nachrichten. 

GalerieKünstlerinnenKünstler
Bechter Kastowsky26
Croy Nielsen66
Crone Wien211
Charim109
Elektrohalle Rhomberg59
Feichtner46
Gianni Manhattan22
Exile55
Galerie 3152
Gaudlitz74
Hämmerle36
Hilger614
Janda35
Jünger59
Kandlhofer1318
Kargl89
König717
Knoll14
Krobath64
Krinzinger818
Kugler49
Layr59
Meyer Kainer94
Ropac 319
Reinthaler64
Ruzicska114
Schwarzwälder 2319
Seiser38
Senn38
Smolka27
Steinek25
Stock56
Tappeiner110
Thoman 1522
Vonier80
Winter55
Zeller Van Almsick67
Gesamt227304
Prozent42,857,2
Einzelausstellungen in Galerien, 2020 bis 2022

7 comments

  1. Danke für die gute Recherche dieses so lange vernachlässigten Themas! Frauen wurden in der bildenden Kunst massiv ausgegrenzt und ignoriert. Da gibt es großen Nachholbedarf!

    1. Gerne! Glücklicherweise tut sich was. Mit einigen Einschränkungen natürlich, die aber umso schmerzlicher sind. Insgesamt stehen die österreichischen Galerien hier aber besser da als die Institutionen in vielen anderen Sparten. Ausruhen kann man sich deswegen aber nicht!

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