Körperpolitik in Corona-Zeiten

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Die Eröffnung des Künstlerhauses im März kurz vor dem Shutdown war so überlaufen, dass ich gleich gar nicht hin bin (obwohl ich in letzter Sekunde doch noch einen Stehplatz für mich hätte reservieren können). Angesichts der Fotos, die dann auf Facebook kursierten, muss man sagen: Gesehen hätte man dort eh nicht viel. Jedenfalls war ich jetzt monatelang neugierig auf die erste Ausstellung („Alles war klar“) dort. Sie sah anders aus als das, was man zuvor am Karlsplatz gesehen hatte. Frischer, engagierter, unkonventioneller. Schade, dass Tim Voss geht. 

Mitmachen!

Ein besonders lässiges Projekt sah ich im zweiten Raum, eine Ausstellung in der Ausstellung: „Kubus“ heißt dieses partizipative Format, das Anke Armandi, Lena Knilli und Maria Grün entwickelt haben. Vier Künstlerinnen und Künstler zeigen hier ihre Arbeiten in einem ausgeklügelten Setting. Dazu luden sie in einem Open Call ein, weitere Kunstwerke – anderer Personen – einzureichen, die diese später ergänzen sollen. Nun wählten sie fünf Positionen aus. Am 24. Juni wird es dazu ein Publikumsgespräch geben. Abgesehen davon, dass das eine super Sache ist, wenn öffentlich über ganz konkrete Kunstwerke diskutiert wird (weil es eh viel zu wenig passiert – ich wünsche mir ja immer so eine Art Bachmann-Preis für die Kunst), funktioniert dieses Projekt eigentlich schon so, wie’s jetzt ist, ganz gut. 

Kubus, Ausstellungsansicht
Künstlerhaus Wien, „Kubus“, Ausstellungsansicht (Foto: Künstlerhaus)

Die vier Positionen passen wunderbar zusammen: Barbis Ruder, die hier ihre schon fast legendäre Performance „Down Dog in Limbo“ zeigt, wo sie sich in der Galerie der Akademie in ein folterartiges Gestänge einspannen ließ; Maria Grüns tropfender Busen; Judith Zillichs Malereien eines (mittlerweile verstorbenen) Mannes; und Michael Endlichers Video, in dem er seinen nackten Körper abfilmt, der auf einem weißen Tuch liegt und dabei über Gesundheit räsoniert. 

Michael Endlicher, "Ich bin total gesund", Video Stil
Michael Endlicher, „Ich bin total gesund“, Video Still, 2013

Gesunder Körper, fades Leben

So verwundbar, zart und hinfällig wie in den Arbeiten von Zillich und Endlicher sieht man männliche Körper in der medialen Repräsentation nicht oft. Zwar beteuert der Protagonist in Endlichers Video ständig: „Ich bin total gesund“. Doch mit Fortdauer der Arbeit stellt sich heraus, wie unendlich unerträglich diese totale Gesundheit, dieses langweilige Mittelmaß ist – der Körper, so wie er von oben bis unten abgefilmt wird, erscheint als eh schon fast tot und jedenfalls nicht gesund, sondern geschwächt und kränklich. In Corona-Zeiten bekommt eine solche Arbeit natürlich einen ganz neue Bedeutung, ähnlich wie Juli Zehs Buch „Corpus Delicti“, wo es auch um eine Gesundheitsdiktatur geht. 

Judith Zillich, "Unbeschriebene Fläche"
Judith Zillich, „Unbeschriebene Fläche“, 2013

Antitoxische Männlichkeit

Sehr fein sind Judith Zillichs Malereien. Sie betrachtet den männlichen Körper aus ungewöhnlichen Perspektiven, lässt ihn als „Engel“, so der Titel einer Arbeit, kopflos zu Himmel fahren. „Die ursprüngliche Motivation für den Beginn der Arbeit an den Männerbildern war außerdem, mein Männerbild für mich selbst sichtbar zu machen und auf die Probe zu stellen“, so die Künstlerin. Es ist eines, das dem noch immer dominierenden Männerbild entgegengesetzt ist, einem Bild, das sich nicht nur in landespolitischen Toxic-Masculinity-Ausfällen äußert, sondern überhaupt allerorten erstarkt. 

Maria Grün Körper
Maria Grün, „Mollusk“, 2018, Foto; Max Berner

Care-Maschine

Wenn Maria Grün Flüssigkeit aus einem Silikonbusen tropfen lässt per motorbetriebener Pumpe und dann wieder via Rinne zurückführt, dann entwirft sie eine Art Junggesellenmaschine, die aber nicht für Sex, sondern für Care-Arbeit zuständig ist. Und Barbis Ruders begibt sich mit ihren experimentellen Verrenkungen in Zwangslagen, in denen sie selbst zum hilfsbedürftigen Körper wird: Ihre Kolleginnen heben sie in ihr Gestell und müssen sie daraus wieder befreien.

barbis Ruder
Barbis Ruder, „Down Dog in Limbo“, 2015 (Foto Joanna Coleman, Bearbeitung: Suchart Wannaset)

Vieles ist hier angelegt in dieser kleinen, fast kabinettartigen Ausstellung: Your body is a battleground. Immer noch. Man kann gespannt sein, welche Erweiterungen ab 24. Juni folgen werden.

Diskussionsabend am 24. Juni, 19 Uhr, Künstlerhaus, Karlsplatz 5, 1010 Wien. https://www.k-haus.at/de/kontakt/ansprechpartner/

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