Eine Frau unterrichtete höchstwahrscheinlich die Bruegel-Dynastie. Das sollte näher beforscht werden.
Bruegel-Festspiele sind. Eine Once-in-a-Lifetime-Chance, trommelt das Kunsthistorische Museum, eh zu Recht. Doch abgesehen von allem anderen, was die Kunsthistorikerinnen, Restauratorinnen und Naturwissenschafterinnen da gerade alles so erforschen, gibt es einen kaum bekannten Aspekt in der künstlerischen Vita von Pieter Bruegel dem Älteren. Er hatte nämlich anscheinend eine Lehrerin: Mayken Verhulst, auch Marie Bessemers genannt.

Dazu gibt es wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, im Katalog zur Ausstellung immerhin einige Hinweise. Aber: Ist das nicht toll? Einer der wichtigsten Maler der Kunstgeschichte überhaupt soll von einer Künstlerin unterrichtet worden sein. In einer Zeit, wo künstlerisch ambitionierte Frauen kaum eine Chance hatten.
Mayken Verhulst lebte von 1520 bis 1599, sie war Miniaturmalerin und die Frau von Pieter Coecke van Aelst. Bruegel lernte bei ihm und sollte später die Tochter des Ehepaars heiraten. Lodovico Guicciardini, ein Chronist und Zeitgenosse von Mayken Verhulst, beschrieb sie schon 1567 in seinen „Descrittione di tutti i Paesi Bassi“ als eine der wichtigsten vier Künstlerinnen in den Niederlanden. „Wir wissen, dass sie eine hochgradig renommierte Künstlerin war“, so auch der Kurator Jan Op de Beeck in einem 2005 erschienenen Buch. Allerdings scheint bis heute nichts Originäres erhalten zu sein von Verhulst. Oder man weiß es einfach nur nicht. Nur eine Holzschnittserie ist bekannt, die sie nach Zeichnungen ihres zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Mannes anfertigte.
Doch schon 1963 stellte die Kunsthistorikerin Simone Bergmans die These auf, dass Verhulst mit dem Braunschweiger Monogrammist ident sei. Dieser war der „wichtigste Vorläufer von Pieter Bruegel dem Älteren“, wie es Expertin Silke Gatenbröcker ausdrückt. Drei Namen werden hinter ihm – oder eben ihr – vermutet: Jan Van Amstel, Jan Van Hemessen und Mayken Verhulst. Erstere beide sieht Op de Beeck stilistisch allerdings ganz woanders. Also leicht möglich, dass Verhulst tatsächlich die Braunschweiger Monogrammistin war.

Doch ganz unabhängig davon: Anlässlich der Ausstellung stellte sich heraus, dass die Miniaturmalerei im Werk Bruegels noch eine größere Rolle spielte als bisher angenommen. Das erzählte mir eine der Kuratorinnen, Sabine Pénot vom KHM, für meine Geschichte im Nachrichtenmagazin profil. Und ihr Ko-Kurator Manfred Sellink, schreibt im Katalog, dass „Bruegel eine gute Ausbildung in der Kunst der Miniaturmalerei erhalten haben muss, höchstwahrscheinlich von Mayken Verhulst.“ Und weiter: „Der Reichtum und die Vielfältigkeit der Details in Gemälden wie beispielsweise den beiden Darstellungen von Turmbau zu Babel werden oft als Zeugnis von Pieter Bruegels Fähigkeiten als Miniaturist zitiert.“ Der Turmbau zu Babel, diese Ikone der Kunstgeschichte, sähe möglicherweise ohne die Ausbildung bei Verhulst anders aus. Bruegel muss seine mutmaßliche Lehrerin übrigens sehr geschätzt haben: Angeblich malte er sie nämlich; das Bild ist leider nicht erhalten. Dabei hat er sonst so gut wie keine Porträts angefertigt.

Und Mayken Verhulst unterrichtete nicht nur Bruegel den Älteren, der ja 1569 starb, sondern auch dessen Söhne! Eine ganze Künstlerdynastie baut also auf ihrer Lehre auf. Ich finde, das sollte näher beforscht werden.