Vor einigen Monaten sprach ich mit der Künstlerin Johanna Kandl darüber, wie viele großartige Malerinnen vergangener Jahrhunderte bis heute unentdeckt sind. Johanna, die gerade im Belvedere eine Ausstellung vorbereitet, erwähnte dann Anna Maria Punz. Natürlich interessierte sie mich sofort. Wenn sogar eine Kollegin ihre Arbeiten toll fand, musste etwas dran sein. Ihre Arbeiten waren 2013 in der Ausstellung „Barock since 1630“ ausgestellt, zwei davon sind auch aktuell in der Schausammlung zu sehen.

Illustre Tochter
Und glücklicherweise hat das Belvedere mittlerweile eine großartige, öffentlich zugängliche digitale Datenbank. Dort findet man die einzigen drei Arbeiten der Anna Maria Punz, die im Besitz des Hauses sind: drei Stillleben. Man weiß wenig über Punz. Nur, dass sie von 1721 bis 1794 lebte, und zwar in Persenbeug, im Waldviertel. Dort in der Nähe bin ich zwar sogar aufgewachsen, von der illustren Tochter des Ortes hatte ich aber noch nie gehört. Dankenswerterweise schickte mir Alexandra Guth aus der Presseabteilung, einen Aufsatz von Barbara Dossi. Es ist eine der wenigen Publikationen, in denen Punz überhaupt erwähnt wird. Der Beitrag erschien schon 1984.
Seither stockten die Forschungen über sie. Und das, obwohl Anna Maria Punz „in letzter Zeit in vielerlei Hinsicht sehr gefragt“ sei, wie Maike Hohn, Barockkuratorin des Belvedere, mitteilt. Doch man kommt der Malerin kaum auf die Spur. Das merkt Hohns Kollege Georg Lechner an. Bis heute sei Punz „ein blinder Fleck“ geblieben. Und offenbar sind auch sonst kaum – oder gar keine – Werke bekannt. 1983 kaufte das Belvedere die drei Arbeiten von der Galerie St. Lucas. Als ursprüngliche Provenienz verzeichnet die Datenbank das „Haus Habsburg“. Wäre echt spannend, da mehr zu erfahren.

Lichtkünstlerin
Wie Dossi in ihrem Aufsatz schreibt, haben sich derartige Kabinettstücke vor allem in Privatsammlungen und Stiftsgalerien erhalten. Sie sieht Parallelen zum „Motivrepertoire holländischer Meister der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, aber auch zu „frühen Stufen der deutschen Tradition“, ab dem Ende des 16. Jahrhunderts. Dossi lobt „die prägnante Art des Bildaufbaues, die Konzentration auf Eindringlichkeit und Genauigkeit in der Wiedergabe der wenigen Gegenstände“ sowie „die als Ausdrucksmittel ebenfalls sehr bedeutsame Lichtführung“. Außerdem beeindrucke „die betonte Einfachheit der ruhenden Formen, sie enthebt die Gegenstände gleichsam ihrer eigentlichen Belanglosigkeit und weckt im Betrachter die Ahnung eines die reine Deskription übersteigenden Inhalts“.

Morandis Vorläuferin?
Im Gegensatz zu Dossi bin ich keine Expertin für Stillleben. Aber was ich bemerkenswert finde, ist diese verschobene Sicht auf die Dinge. Die Künstlerin zeigt den Rand eines Regals. Üblicherweise – auch in den Vergleichsbeispielen in Dossis Text – sind Stillleben doch mittig platziert. Hier ist es so, als würde die Künstlerin eine Art Bühnenausschnitt präsentieren. Wie Stage Props platziert sie die Objekte, man blickt auf sie in einer leichten Untersicht. Als säße man direkt vor einer Theaterbühne. Die scharfen Kanten, die von der dunklen Wand gebildet wird, sind auch bemerkenswert, ebenso wie dieser kühle Malstil. Er erinnert mich, ebenso wie diese monumentalisierten Gegenstände, an Giorgio Morandi (der 130 Jahre nach ihr auf die Welt kam).
Schade, dass wir nicht mehr wissen über Anna Maria Punz. Wie kam sie zur niederländischen Malerei? Wo bildete sie sich aus in einer Zeit, in der Frauen Kunstakademien nicht besuchen durften? Wie war ihr Selbstbild als Künstlerin? Wir werden es wohl nie erfahren.
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