Wer meint, Konkrete Kunst sei eine Männerdomäne, irrt. Das zeigt eine schöne Ausstellung in der Galerie Steinek.

1996 legte der Galerist Peter Lindner eine Mappe mit Werken konkreter Kunst auf, zehn Positionen, davon eine einzige Frau. Als hätte es nicht mehr Künstlerinnen gegeben, die dieses Feld beackerten. Dass dem schon damals nicht so war, zeigt derzeit die Ausstellung „Konkret-Frau“ in der Galerie Steinek, kuratiert vom einstigen Kunsthallen-Chef Gerald Matt im Rahmen von curated by: konkrete Kunst von Frauen.
Die einzige Künstlerin aus Lindners Mappe, Magda Csutak, stellt hier eine Wandinstallation aus. Holzstäbe, Porzellantafeln, Polaroids und ein hölzernes Oval treffen da aufeinander aufeinander – letzteres eine Kombination aus Ellipse und Rechteck. In Csutaks Gedankenuniversum steht das Rechteck für das Rationale, die Ellipse für dessen Unterwanderung. „Ich finde, das kartesianische Koordinatensystem hat uns sehr rigide gemacht“, erzählte sie bei der Eröffnung, „so bin ich zu der gekrümmten Form gekommen.“ Sie tauscht sich gern mit Leuten aus der Forschung aus, sagte sie – und wie zur Bestätigung wurde sie einen Moment später euphorisch von einer Frau begrüßt, die sie mir als Wissenschafterin vorstellte.

Es ist schon eigenartig, dass eine Künstlerin wie Csutak seit 1977 in Wien lebt und so wenig bekannt ist. Andere Namen aus dem Kontext Konkrete Kunst sind vertrauter. Allen voran Helga Philipp, hier vertreten mit feinen Bleistiftzeichnungen und einem Siebdruck mit einem Raster aus Kreisen. Ihre Tochter Olga Okunev sagte an diesem Abend, dass es ihre Mutter schwerer hatte als Künstlerinnen, die sich gemeinsam feministisch engagierten: „Andere sind in Gruppen aufgetreten, Helga war allein.“ Demnächst zeigt eine Ausstellung im Zürcher Haus Konstruktiv ihre Arbeiten. In Wien warten die Museen offenbar noch ein bisschen zu.

Auch die Werke anderer Vertreterinnen der Konkreten Kunst sind einen Besuch wert: Beverly Piersols abstrakte Figurationen, die sich über mehrere Leinwände ziehen, die Shaped Canvases von Dóra Maurer und Inge Dicks subtile Fotoarbeiten – die vielleicht streng genommen nicht ganz in die Konkrete Kunst passt. Hildegard Joos dagegen fehlt leider. Stattdessen zeigt der Kurator Texte von Eugen Gomringer, jenem Dichter, der den Begriff der „Konkreten Poesie“ erfand und dessen Gedicht „Avenidas“ auf der Wand einer Universität übermalt wurde, weil es irgendwem sexistisch erschien – was meiner Meinung nach völlig blödsinnig war. Wenn der Kurator im Begleittext allerdings schreibt, das Gedicht sei „aufgrund selbstgerechter feministischer Angriffe einem Akt der Zensur zum Opfer“ gefallen, wirkt das an dieser Stelle schon etwas befremdlich. So, als dürfe man jetzt nicht gar zu feministisch daherkommen. Was die Ausstellung an sich aber nicht weniger sehenswert macht.

P. S.: Vielleicht findet es jemand merkwürdig, dass hier Ausstellungen mit homöopathischen Frauenanteil kritisiert, solche mit geringem Männeranteil gelobt werden. Wenn die Museen für Gegenwartskunst fünfzig Prozent Soloshows von Künstlerinnen zeigen, wenn der „Kunstkompass“ gendermäßig ausgeglichen, wenn Jeff Koons preismäßig weibliche Konkurrenz bekommt, wenn Frauen in der Kunst endlich auch nur annähernd so viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen: Dann werde ich eine Männerquote einfordern. Ehrlich!
Grade lese ich ein wunderbares Buch zum Thema: https://meinkunstbuch.wordpress.com/2019/09/24/art-essentials-frauen-in-der-kunst/