Voller Vorfreude reiste ich nach Innsbruck, um die Ausstellung „Hexen“ im Taxispalais anzusehen, kuratiert von dessen Chefin Nina Tabassomi. Restlos überzeugt hat sie mich nicht. So gutwillig muss man dann auch nicht sein, jeden kuratorischen Gedankengang unhinterfragt nachzuhüpfen; insgesamt blieb es mir zu diffus, zu ungenau, zu beliebig. Außerdem vermisste ich diese tolle Arbeit von Veronika Eberhart, die sich ebenfalls mit der Theorie von Silvia Federici in ihrem Buch „Caliban und die Hexen“ befasste.
Macht der Frauen
Und doch: Zwei Arbeiten in der Ausstellung gab es, die den Anspruch an sich selbst einlösten. Auf Federici referrierend, der zu folge Hexenprozesse den „Widerstand der Frauen gegen die Ausbreitung kapitalistischer Verhältnisse“ brechen sollten, heißt es: „Im Übergang zum Kapitalismus musste dei Macht der Frauen zerschlagn werden – üebr die Kontrolle ihrer Körper, Sexualität und ihres Wissens sollte sichergestellt werden, dass sie sich der Reproduktion von Arbeitskraft verschreiben.“ Ziemlich schlüssig zeigt sich das in der – eigens für die Ausstellung angefertigten – Arbeit von Angela Anderson und Ana Hoffner ex-Prvulovic* (ja, die schreibt sich wirklich so). „Hexenküche (the witch rarely appears in the history of the proletariat)“ heißt sie.

Krumme Nase, schiache Warzen
Das Zentrum bildet ein Film. Darin kommen Feministinnen der Zweiten Welle zu Wort (ohne entsprechende Untertitelung bleibt ihre Identität leider unklar, sowas sollte echt nicht sein), ebenso eine Aktivistin, die über die Ausbeutung der sogenannten „Sezoneri“, rumänischer Saisonarbeiter in Tirol, berichtet. So verknüpfen sie die Hexenprozesse – die vor allem gegen Bäuerinnen gerichtet waren – mit der kapitalistisch organisierten Landwirtschaft, in der Stundenlöhne von vier Euro offenbar keine Ausnahme sind. Dazwischen sieht man die Künstlerinnen, in einer Art Märchenwald sitzend, wo eine Hexe in trivial-folkloristischer Aufmachung (krumme Nase, schiache Warzen) hinter Gitter gesperrt wurde.

Die Künstlerinnen werfen Insignien der Macht, von Wimpeln über eine Tarotkarte bis zu Fotos von Orban, Trump, Kurz und anderen, sowie Gemüse (also in diesem Kontext die Früchte der Ausbeutung) in einen Bottich. Welch unheimliches Gebräu kommt da wohl raus? Auf Tafeln zitieren sie zudem aus dem „Hexenhammer“, verfasst von dem Dominikaner und Inquisitor Heinrich Kramer. Dieser machte seiner Leserschaft erfolgreich weis, dass die sogenannten Hexen Penisse abschneiden und in Nestern horten, dass sie Föten aus dem Mutterleib weghexen und – eh klar! – mit dem Satan Sex haben. Dass der erste Hexenprozess ganz in der Nähe des Taxispalais, im Goldenen Dachl, war, gibt dem Ganzen noch einen Extra-Twist – der natürlich nicht so super ins touristische Bild von Tirol passt.
„Ein fescha Tiroler!“
An den Wänden rundherum platzierten die Künstlerinnen Gemüsekisten, eins dieser blöden heimattümelnden Plakate vom Billa – darauf ist ein Salathappel, drüber steht „Ein fescha Tiroler!“ –, Stricknadeln („Engelmacherinnen“!), Fotos von Frauendemos in Innsbruck und Armbänder von den Erntehelfer:innen, die als quasi biometrische Stechuhr funktionieren. Ein Beet mit Kräutern, die früher bei Abtreibungen zum Einsatz kamen, dekorierten sie mit Penissen, dramatisch beleuchtet. Die Verschneidung von Reproduktionsarbeit und – rechten, historischem Unrecht, Frauenbewegung und gegenwärtiger Ausbeutung funktioniert gut, finde ich.
Einmal zeigt die Kamera ein Panorama und rotiert dabei um die eigene Achse, wird dabei immer schneller – die wie mit Lineal gezogenen Gemüsefelder, die Industriebauten, die hässlichen Orte entzaubern das touristische Tirol-Image; die Märchenwald-Szene verweist darauf, wie gut das Narrativ von der bösen Hexe noch immer funktioniert, wie tief es bis heute verankert ist. Sogar unsere Kinder – sogar unsere Töchter! – traktieren wir noch immer mit dieser misogynen Idiotie.
Blutgier

Ein tolles Gegenstück dazu bildet der Film von Pauline Curnier Jardin. Er beginnt mit der Schilderung scheinbar braver Omas: Eine schneidet versonnen Blumen im Garten, eine andere überreicht zwei Mädchen Apfelkuchen, andere tratschen harmlos. Doch dann geschieht es: Zwischen den Beinen der Frauen, eigentlich längst nach der Menopause, rinnt Blut herab. Und schon liegen die netten Männer, die ihnen vorher Pakete überreicht oder eine Blunzen verkauft haben, erstochen darnieder! Im Gefängnis angekommen, zelebrieren sie ihre Sexualität – kauen genüsslich eine Blume, streichen über ihren Busen, stecken sich einen Schuh zwischen die Beine, reiben sich lustvoll an der Wand.

Dem allgegenwärtigen Narrativ vom testosterongesteuerten Mann, der seine Ex-Frau ja praktisch umbringen muss, setzt Curnier Jardin eines entgegen von der alten Frau, die junge Männer dahinmeuchelt. Natürlich ist das Ganze sehr übersteigert. Die Künstlerin spielt auch mit Vorstellungen aus der Kulturgeschichte, etwa den männermordenden Mänaden. Auf einer symbolischen Ebene könnte man die Boys als stellvertretend für die Jugend betrachten, derer sich die Frauen entledigen – um als unberechenbare zeitgenössiche Hexen zurückzukommen und ihre eigene Freiheit zu gewinnen. Pauline Curnier Jardin hat 2019 den Preis der Nationalgalerie in Berlin bekommen. In Österreich ist sie bisher wenig bekannt.

So bleibt in dieser Ausstellung doch die eine oder andere Entdeckung.
Heute um 18:00 ist imFerdinandeum ein Gespräch über Elde Steeg.
Werde mir heute die Ausstellung ansehen. Bin schon gespannt auf das Gespräch heute Abend um 18:00