Sasha Auerbakh und der female gaze

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Befasst sich die feministische Kunst und Kunstkritik zu wenig mit Männern? Diese Vermutung liegt nahe. Sicher: Einige Ausstellungen („Der nackte Mann“ im Lentos und im Leopold Museum, „In the Cut“ in der Stadtgalerie Saarbrücken) drehten sich um Männerakte, welche Art von Männlichkeit sie konstruieren. Doch das sind seltene Ausnahmen. In der Galerie Charim Schleifmühlgasse (Anmeldung!) untersucht jetzt die junge Künstlerin Sasha Auerbakh den Blick auf den männlichen Körper. Und zwar ziemlich witzig.

 „Sebastian“ heißt die Schau. Die beiden Freunde, die für die Künstlerin posierten, tragen nämlich diesen Namen. Leider kann ich diesen nicht mehr denken ohne Angriffe auf die Justiz, ohne Schließung der Balkanroute, ohne Wien-Bashing, ohne Message-Control. Damit hat all das hier nichts zu tun. Oder vielleicht indirekt schon auch. Doch die Künstlerin dachte weniger an den Bundeskanzler, sondern mehr an den Heiligen Sebastian, der zu den klassischen Akt-Sujets zählt: der verletzte, leidende Mann. 

Sasha Auerbakh, "Sebastian S. 4",
Sasha Auerbakh, „Sebastian S. 4“, Galerie Charim Schleifmühlgasse (c) NiS

Der hat Eier!

Für ihre Arbeiten kombiniert Sasha Auerbakh Skulpturen mit Fotos von Männerporträts und -akten. Da baumeln etwa von der Decke zwei Kugeln, auf denen Akte in verschiedenen Positionen picken. Ein metallenes Lebkuchenhaus trägt Fotos eines teils fragmentierten Männerkörpers; von einem länglichen Objekt, das die Form einer Leiter hat und mit Kunststoffschnüren umwickelt ist, lächelt einer der Sebastiane zaghaft. Anderswo hängt Sasha Auerbakh ihren Nackedei auf einen von mehreren Kleiderhaken oder lässt ihn, entspannt lümmelnd, von einer stilisierten US-Flagge grüßen, die in Streifen zerteilt ist. Oft haben die Materialien etwas Fetischartiges, erinnern an BDSM-Praktiken. „Natürlich sind Fetische Klischees, Produkte der Massenkultur“, schreibt Sasha Auerbakh mir in einem Mail. 

Sasha Auerbakh, „Sebastian S. 1“, Galerie Charim Schleifmühlgasse (c) Markus Krottendorfer, courtesy Charim Galerie

Ebenso spielen die Skulpturen inhaltlich auf Klischees an, etwa auf Sprüche wie „Der hat Eier“ oder „Der wechselt seine Geliebten wie seine Wäsche“. Sasha Auerbakh schreibt: „Diese Klischee-Narrative funktionieren als Rahmen/Requisiten, um über die Echtheit dieser Körper zu sprechen.“ Jetzt ist der Anspruch, Echtheit, Authentizität darzustellen, immer problematisch. Denn was soll das sein?

Die Künstlerin selbst betont, dass sie erst am Anfang ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema steht. Es scheint mir, als ginge es eher darum, neue Männlichkeitsbilder zu entwerfen, jenseits von Topoi wie eben dem Leidenden, aber auch dem Narziss oder dem Kraftprotz. Dass die Aktfotos sich genau in den Stereotypen einnisten, die überwunden werden sollen, lässt sich als gewitzte Volte lesen. „Vielleicht war die Idee zu sagen, dass die Stille, die Verletzlichkeit, die Echtheit des Körpers, der nicht viel repräsentiert außer sich selbst, das ist, was der Phallokratie des klassischen Aktes entgegengesetzt werden könnte“, so Sasha.

Sasha Auerbakh, „Sebastian B.2“, Galerie Charim Schleifmühlgasse (c) Markus Krottendorfer, courtesy Charim Galerie

Kampagne gegen die Phallokratie

Sasha Auerbakh wagt den Versuch, einen female gaze auf den männlichen Körper zu werfen, der sich seiner selbst bewusst ist. Wie Germaine Greer in ihrer umfassenden kunsthistorischen Untersuchung „Der Knabe“ ausführte, ist die weibliche Lust an der Betrachtung männlicher Körper ja keineswegs neu; schon Mitte des 17. Jahrhunderts sammelte die schwedische Königin Christine männliche Aktdarstellungen, ganz zu schweigen von Katharina der Großen, die angeblich in ihrem Boudoir eine Kollektion pornografischer Bilder von Männern hatte.

Doch wie so vieles in der Geschichte geriet auch dies aus dem Blickfeld, und noch in den 1970er-Jahren wurden Künstlerinnen wie Florentina Pakosta oder Renate Bertlmann für ihre Werke in diesem Kontext verhöhnt. So schien die visual pleasure den Männern vorbehalten zu sein, wie es Laura Mulvey in ihrem epochalen Aufsatz beschrieb. Greer setzt in ihrem Buch dagegen: „Die feministische Kampagne gegen die Unart der Phallokratie, den Wert einer Frau nach ihrem Äußeren zu bemessen, hat das Eingeständnis, dass eine ganze Reihe von Männern tatsächlich schön, zum Teil atemberaubend schön ist – zumindest in einem bestimmten Lebensabschnitt –, noch schwieriger gemacht.“ 

Sasha Auerbakh, "Sebastian S. 3", Galerie Charim Schleifmühlgasse (c) N
Sasha Auerbakh, „Sebastian S. 3“, Galerie Charim Schleifmühlgasse (c) NiS

Sasha Auerbakhs Sebastiane sind keine Heiligen, sie werden nicht verletzt, sie sind aber auch keine Helden, keine phallokratischen Protze. In einem hochreflektierten Setting voller (Selbst-)Ironie bieten sie sich entspannt und passiv unseren Blicken an. 

Sasha Auerbakh, Ausstellungsansicht
Sasha Auerbakh, Ausstellungsansicht, Galerie Charim Schleifmühlgasse (c) Markus Krottendorfer, courtesy Charim Galerie

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