„Sie ist der andere Blick“: ein wunderbarer, ermutigender, poetischer Film über fünf Wiener Künstlerinnen von Christiana Perschon.
Da glaubt man immer, feministische Kunst sei ein Nischenprogramm. Aber das stimmt offenbar nicht! Schon Wochen vorher waren beide Vorführungen des Films von Christiana Perschon ausverkauft. Natürlich, er lief während der Viennale, da geht schon was. Trotzdem! „Sie ist der andere Blick“ heißt die Doku. Perschon kommt selbst von der bildenden Kunst, nicht vom Kino. Für die Arbeit hat sie mit fünf Wiener Künstlerinnen, die heute in ihren 70ern und 80ern sind, gesprochen und sie eingeladen, ihre Arbeiten in ihrem eigenen Atelier zu zeigen.

Der Einstieg in den Film fällt leicht: Da sprechen die Künstlerinnen – es sind: Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack und Margot Pilz – über ihre Anfänge als Künstlerinnen, davon, wie ihnen Steine in den Weg gelegt wurden. Von ihrem beruflichen wie ihrem privaten Umfeld. Im Publikum sorgte Lore Heuermann dabei für ziemliche Erheiterung: Ihr Ehemann wollte, dass sie ein Haushaltsbuch führen sollte, wo sie alles eintragen sollte – „die Petersilie sogar!“ Schön auch: diese energetische Wut! Die Wut auf diese unglaublichen Zustände! Nur Maria Lassnig und Valie Export hätten was gegolten, sagt Heuermann, immer habe man getan, als gäbe es keine anderen Künstlerinnen: „Was soll die Scheiße!“ Besser kann man es nicht ausdrücken.
Doch der Film erschöpft sich nicht darin. Später sprechen die Künstlerinnen über ihre Arbeit, darüber, wie sie zu ihren Themen kamen. Wenn Renate Bertlmann über ihre Streifzüge durch die Sexshops erzählt, wenn Karin Mack über den Raum zwischen den Bildern redet und Linda Christanell von kleinen trashigen Gegenständen – wie dieser merkwürdigen Bürste, verbunden mit einem Spiegel – schwärmt, wenn Lore Heuermann über fernöstliche Philosophien sinniert und Margot Pilz ihr Gesicht schminkt, wie sie es für ihre performativen Fotografien macht: Dann kommt auch heraus, was für eine Freude die Kunstproduktion ist. Und man sieht es an der Art, wie sie im Atelier von Perschon mit ihren Kunstwerken hantieren. Was für ein erfülltes Leben sie alle haben!

Vor der Vorführung traf ich Margot Pilz im Foyer. Auf die Frage, wie es ihr gehe, strahlte sie mich an: „Sehr gut!“ Und drückte mir gleich einen Haufen Flyers in die Hände, von Ausstellungen, an denen sie gerade beteiligt ist (zum Beispiel hier und hier). „Jetzt bin ich uralt und als Künstlerin sichtbar geworden“, sagte sie später beim Publikumsgespräch. Da erzählte Christiana Perschon, sie ist Jahrgang 1978, auch über ihre Zeit an der Akademie der bildenden Künste. Damals habe sie stets bloß „die üblichen Namen“ von Künstlerinnen gehört. „Dann ist man schnell wieder zu den Männern übergegangen.“
Was ich in dem wirklich schönen Film aber vermisst habe, sind die Namen der Künstlerinnen. Wer sich ein bisschen auskennt, kann sie natürlich zuordnen. Doch sie werden nicht eingeblendet. Das sei eine bewusste Entscheidung gewesen, meinte Christiana Perschon später – weil die Künstlerinnen eben auch für viele andere stünden. Ein legitimer Zugang. Allerdings werden auf diese Art die Namen auch nicht mit dem jeweiligen Werk verbunden. Doch gerade das ist ja der wesentliche Punkt für eine künstlerische Positionierung. Ein kleiner Wermutstropfen in einem wunderbaren, ermutigenden Werk voller witziger, poetischer, sprühender Momente.

Eines zeigt „Sie ist der andere Blick“ natürlich auch: Wie weit wir schon gekommen sind in den vergangenen Jahrzehnten. Da wird einmal ein Galerist zitiert mit der Aussage, dass eine einzige Ausstellung von einer Künstlerin pro Jahr doch wohl reiche. So etwas wird man heute nicht mehr hören. Lore Heuermann, am Ende des Films: „Es ist uns nicht gegeben, uns unterzuordnen.“ Einen besseren Schlusssatz hätte die Filmemacherin nicht wählen können.
Der Film ist im Verleih von Filmgarten und wird ab Frühjahr 2019 im Kino laufen.
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