Finanziert das Frauenmuseum Hittisau endlich anständig!

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Unlängst war hier davon die Rede, dass man, lebt man in Wien, leider oft zu wenig das Kulturgeschehen im Westen des Landes wahrnimmt. Ich gestehe, erst ein einziges Mal war ich in dem wunderbaren Frauenmuseum Hittisau; es liegt im Bregenzerwald. Doch damals, 2019, beeindruckte es mich stark. Trotz seiner vergleichsweise geringen Ausstellungsfläche punktete es mit einer Schau zum Frauenwahlrecht. Ein kleiner Shop bot witzige Produkte und klug ausgewählte Literatur an – ich erwarb damals ein Buch der tollen jungen Autorin Luna Al-Mousli. So ist es kein Wunder, dass das Land Vorarlberg seine Gäste gern nach Hittisau karrt. 

Mitten im Ort

Die Ausstellungen umkreisen viele Facetten weiblichen Lebens – momentan etwa in einer Schau zur Geburt. Doch es kann noch mehr, setzt es doch stark auf die Einbindung der Zivilgesellschaft. Das zeigt sich schon in der Architektur. Man betritt es nicht durch ein Foyer, wo einer vielleicht schon die in Goldlettern gesetzten Namen von Sponsorfirmen begrüßen, sondern durch einen Veranstaltungsraum. Damals, als ich dort war, gab es gerade irgendein Treffen – worum es ging, weiß ich nicht, aber es zeigte sich gleich diese Haltung: dass es nämlich nicht nur darum geht, etwas zu präsentieren, sondern darum, etwas zu tun. Das leitet sich wahrscheinlich direkt aus der Genese des Frauenmuseum Hittisau ab, das die Hittisauerin Elisabeth Stöckler 2000 gründete. 

Ausstellung "Geburtskultur. Vom Gebären und Geborenwerden" © Frauenmuseum Hittisau / Angela Lamprecht
Aktuelle Ausstellung „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“ © Frauenmuseum Hittisau / Angela Lamprecht

Im Online-Archiv des Museums zeigt sich dessen Vielfalt und Originalität. Hier gab es schon Projekte zu Massai-Baumeisterinnen, zur Care-Arbeit, zu Bergsteigerinnen, zu Philosophinnen, zum Kopftuch, zu Göttinnen und Hexen, zu bosnischen Quilts und immer wieder zu einzelnen Persönlichkeiten, etwa der Kinderbuchautorin Susi Weigel und der Künstlerin Anne Marie Jehle (deren Intervention am Kunsthaus Bregenz damals Grund meines Vorarlberg-Aufenthalts war). Das Ganze ergänzen zahllose Kooperationen, Veranstaltungen und ein toller Blog.

Preisregen für das Frauenmuseum Hittisau

So erhielt das Frauenmuseum 2017 den Museumspreis des Bundes. In der Begründung wies die Jury auch auf seine regionale Lage hin. Das Museum habe bewiesen, „dass sich die kritische Auseinandersetzung zu den weiterhin wichtig bleibenden gesellschaftlichen Fragestellungen in einer Region wie dem Bregenzerwald gewinnbringend führen lässt – insofern ist es beispielgebend für Museen im ländlichen Raum generell“, heißt es da etwa. Dabei bleibe es aber nicht „im regionalen Bezugsrahmen stecken“, sondern blicke „auf Europa und in die Welt“. Das Frauenmuseum, das seit 2009 von Stefania Pitscheider Soraperra geleitet wird, erhielt außerdem den Preis der Bank Austria sowie den Outstanding Artists Award. Und es ist nominiert für den Europäischen Museumspreis, eines von 27 Häusern in ganz Europa. Der – wirklich nicht unkritische – Museologe Gottfried Fliedl lobte es unlängst in seinem Blog ebenfalls (Darin schreibt er übrigens: „Was man für das Museum tun kann? Nun, sobald das wieder möglich ist, hingehen und ansehen.“ Das auf jeden Fall. Doch man kann auch Mitglied oder Unterstützerin werden.) Angesichts der aktuellen Diskussion über die gesellschaftliche Rolle von Museen, die sich nun auch angesichts der Pandemie neu stellt, kann das Frauenmuseum geradezu als Vorzeigebeispiel dienen.

Außenansicht Frauenmuseum Hittisau
Frauenmuseum Hittisau, Außenansicht (c) Ines Agostinelli

Halbtagsstelle wackelt

Jetzt würde man meinen, dass das Land Vorarlberg das Frauenmuseum üppig dotieren müsse, dass auch der Bund kräftig zuschießen würde. Doch nein! Vom Land Vorarlberg, erzählt mir Stefania Pitscheider Soraperra am Telefon, erhält das Museum jährlich 100.000 Euro, genau so viel wie von der Gemeinde – angesichts der Größe von Hittisau mit nur knapp über 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist das eine echte Großtat. Vom Bund kommen 50.000 Euro – allerdings wackeln die Jahr für Jahr, weil Museen (abseits der durchfinanzierten Bundesmuseen) nur Projektförderungen beantragen können. Pitscheider Soraperra hat, neben geringfügig beschäftigten Kulturvermittlerinnen, zwei fixe Mitarbeiterinnen, eine angestellt mit 65 Prozent, eine halbtags. Letztere Stelle droht jetzt wegzubrechen, weil sie über ein EU-Projekt finanziert ist, das aber bald ausläuft. Zehn Jahre hat die Direktorin um eine Halbtagsstelle gekämpft, erzählt sie. „Ein Argument dagegen war immer wieder, dass ja nicht alles wachsen müsse.“ Nicht alles. Außer halt die großen Tanker, da spielen ein paar Tausender mehr oder weniger meist keine Rolle. Investitionen hat Pitscheider Soraperra mit Preisgeldern finanziert.

Leiterin Stefania Pitscheider Soraperra (c) Ines Agostinelli

Im Gespräch mit mir erzählt die couragierte Chefin auch davon, wie zum Beispiel im Bergell in der Schweiz die Leute abgewandert sind. Das könne auch im Bregenzerwald passieren; ein Haus wie das Frauenmuseum kann dagegen steuern. „Der ländliche Raum spielt politisch eine wichtige Rolle, wie wir am Brexit oder am Erstarken rechtsextremer Kräfte gut sehen können“, sagt sie. Angesichts dieser Entwicklungen sei es „überaus wichtig, gerade hier demokratische und pluralistische Kräfte zu stärken.“ Der ländliche Raum sterbe, wenn die Frauen gehen. „Da sind sich alle Expert*innen einig. Deshalb braucht es gute Jobmöglichkeiten, flexible Kinderbetreuung, Jobsharing, Breitbandinfrastruktur, mobile Gesundheitsversorgung und vieles mehr. Frauen brauchen aber vor allem auch politische und kulturelle Teilhabe.“ Das kann jede denkende Person nur zehnmal unterschreiben. Das Frauenmuseum Hittisau zählt übrigens jährlich 15.000 Eintritte – eine unglaubliche Anzahl angesichts seiner Größe und Abgelegenheit (entschuldigt, liebe Hittisauerinnen und Hittisauer).

Ländlichen Raum stärken, Frauen stärken!

So wird es Zeit, die Zuständigen, jene, die die öffentlichen Gelder verwalten, an ihre Versprechen zu erinnern. Im Regierungsprogramm des Landes Vorarlberg, 2019 verfasst, liest man in Zusammenhang mit dem Frauenmuseum folgende Absichtserklärung: „Die Leistungen eines peripher gelegenen Museums werden anerkannt und besser finanziert.“ Fragt sich nur, wann diese bessere Finanzierung kommt. Aus dem Kulturbudget fließen aktuell nur 50.000 Euro an das Frauenmuseum, der Rest kommt aus dem Frauenbudget. Nicht nur die Vorarlberg-Kultur, auch der Bund muss, finde ich, seine Finanzierung aufstocken. Wie viele Frauenmuseen gibt es schon in Österreich? Derzeit nur eins. Und heißt es nicht immer, dass der ländliche Raum kulturell Unterstützung erhalten muss? Auch im Programm von Türkis-Grün ist die Rede von einer „Stärkung der regionalen und lokalen Förderung für Künstlerinnen und Künstler, die freie Szene und Kulturinitiativen, insbesondere mit überregionaler Bedeutung“. 

Ja, eh: Wir haben seit einem Jahr eine Pandemie, die alle Kräfte beschlagnahmt, auch die der Kulturpolitik. Aber vor allem die der Frauen! Gebt endlich dem Frauenmuseum Hittisau endlich eine Finanzierung, die seiner würdig ist. Wie viele Preise müssen die denn noch gewinnen? 

Ausstellung "geburtskultur. gebären und geboren werden" (c) Frauenmuseum Hittisau/Angela Lamprecht
Ausstellung „geburtskultur. gebären und geboren werden“ (c) Frauenmuseum Hittisau / Angela Lamprecht

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