Es ist schon komisch: Alle möglichen Jubiläen und Gedenkjahre werden heuer gefeiert – Kriegsende 1918, Anschluss 1938, und 1968 sowieso. Doch kaum jemand redet davon, dass vor exakt hundert Jahren das Frauenwahlrecht in Österreich gesetzlich verankert wurde. Interessanterweise international betrachtet relativ früh, obwohl wir sonst ja bei so vielem hinten sind.

Stefanie Seibold, 100 Jahre Frauentag, 2011/2018 © NiS
Die Kuratorinnen Aline Lara Rezende und Julia Hartmann nahmen das unterrepräsentierte Jubiläum zum Anlass einer Art künstlerischer Standortbestimmung. Dafür wählten sie einen Ort aus, der dafür prädestiniert ist: die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) in der Wiener Innenstadt, die schon einige Jahre vor dem Frauenwahlrecht gegründet wurde. Über ihre Ausstellung „Nothing less! 100 Jahre Frauenwahlrecht“ sagte Julia Hartmann, als wir am Tag nach der Eröffnung einen Rundgang durch die Ausstellung machen: „Wir wollten keine historische Ausstellung machen, sondern die Frage stellen: Wo stehen wir jetzt, hundert Jahre später?“ Und Aline Lara Rezende fragt: „Wofür kämpfen wir noch immer? Und warum kämpfen wir noch immer? Die Themen wiederholen sich.“
Ihre Ausstellung deckt ein breites Spektrum ab, es geht um Körperzurichtungen, um Mutterschaft, um Gender-Stereotype und um politische Kämpfe. Zum Beispiel in der Plakatarbeit von Stefanie Seibold, die immer wieder zum Thema gearbeitet hat: Da stoßen verschiedene Images revoltierender Frauen aufeinander, teils auch rezente Aufnahmen: Elfriede Jelinek vereint sich mit einem Women’s Liberation March, einer Elefantendompteuse und einer fast gänzlich verhüllten Frau auf einem Fahrrad, über der die Überschrift prangt: „Avoid rape dress sensibly“.

Eine andere bemerkenswerte Arbeit hat Barbis Ruder beigesteuert: Für ihr Video nahm sie sich selbst bei Aerobic-Übungen auf, die dazu dienen sollen, den sogenannten „Thigh Gap“ zu erlangen. Doch man sieht nur ihr Gesicht, es verzerrt sich manchmal vor Anstrengung, dann lacht es wieder (im Fitnesscenter sagen sie ja zu einem ja auch, wenn man sonst eh alles hingekriegt hat, immer: „Und: LÄCHELN!“). Dazu erzählt eine kirrende Mädchenstimme von der Absurdität des Strebens nach dieser blöden Oberschenkellücke: Nur wenige Menschen haben überhaupt die körperlichen Voraussetzungen dafür, egal wie dünn.

Zwischen den Arbeiten (unter anderem auch von Bernadette Anzengruber, Alexandra Tatar, Nadine Lemke, Starsky und Ekaterina Shapiro-Obermair) hängen immer wieder kleine, gerahmte Zeichnungen von Käthe Schönle, manchmal ein bisschen biestig, manchmal deprimierend – eine Frau, die ein massives unförmiges Ding stemmt, eine andere mit gegrätschten Beinen und dem schriftlichen Zusatz: „prostitution is so much fun“. Wie Fußnoten oder Anmerkungen sollen diese wirken, meint Kuratorin Julia Hartmann.

Käthe Schönle, prostitution is so much fun, 2008, © NiS
Und dann natürlich: die Fotoarbeit von Lena Rosa Händle, deren Arbeiten ich schon lange großartig finde. Sie fotografierte sich selbst, eine Burlesque-Performerin und ein Frauenpaar in ihrem Studio hoch über den Dächern von New York, versehen mit Statements. Besonders die Geschichte der beiden alten Frauen, die seit dreißig Jahren zusammenleben, beeindrucken: Die eine, Eva Kollisch, wurde 1925 in Baden geboren, emigrierte per Kindertransport und arbeitete dann in den USA als Schriftstellerin und Literaturprofessorin; die andere, Naomi Replansky, ebenfalls Autorin, übersetzte Berthold Brecht und arbeitete ebenso als Programmiererin.

Sie wurde 1918 geboren, in dem Jahr, in dem in Österreich das Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde. Wäre langsam an der Zeit, das ein bisschen zu feiern.
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