Wir sind die drei Prozent

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Eine „Lucretia“ von Artemisia Gentileschi brach mit fünf Millionen unlängst den Preisrekord für die Künstlerin. Ein Beitrag dieses Blogs handelte 2018 von einem Bild Gentileschis selbigen Sujets, das im Dorotheum dann für fast zwei Millionen wegging. Sotheby’s widmete Alten Meisterinnen eine eigene Sektion unter dem Titel „The Female Triumphant“. Die „Ninth Street Women“, die abstrakten Expressionistinnen, erzielen zusehends auch in Auktionen ordentliche Summen.

Ja, wir waren schon mal zart zuversichtlich. „Want to Get Rich Buying Art? Invest in Women“ titelte die New York Times, die Presse verkündete den „Siegeszug der Frauen“.

Eleven, undici, jedanaest

Schön wär’s. Aber vielleicht könnte es doch noch ein bissl dauern mit dem merkantilen Triumph. Vor ein paar Wochen machte mich die Künstlerin Franziska Maderthaner auf die Auktion Zeitgenössischer Kunst, die das Dorotheum am 27. und 28. November abhielt, aufmerksam. 394 Objekte hat das Auktionshaus da versteigert, wie hier und hier aufgelistet ist.

Und jetzt ratet mal, wie viele davon von Künstlerinnen stammen. Es sind nicht 60, es sind nicht 30, nein, es sind elf. E-L-F. In Ziffern: 11. Eleven, undici, jedanaest, onze, on bir. Wobei man streng genommen zehn Komma fünf zählen müsste, denn eine Arbeit ist von Anne und Patrick Poirier, also sozusagen fifty-fifty. Elf von 394, das sind 2,79 Prozent. Behauptet zumindest der TI-30, den mir meine Mutter in den 1990er-Jahren kaufte.

Taschenrechner Dorotheum
Mehr wird’s nicht: 2,79 Prozent

Wie kann es sein, dass in einer Auktion im Jahr 2019 nicht einmal drei Prozent der Lose von Künstlerinnen stammen? Und nur noch mal, for the record: Hier handelt es sich nicht um die Sparte Alte Meister, 19. Jahrhundert oder weiß der Teufel was, sondern um Gegenwartskunst, Kunst, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, zu einer Zeit, da Frauen längst Kunst studieren durften. Das Argument der mangelnden Existenz von Arbeiten aus weiblicher Hand so generell, wie es unlängst wieder kam, kann in diesem Fall also nicht gelten. 

Abbild des Marktes?

Doch inwieweit tragen Auktionshäuser selbst überhaupt Schuld an einem solchen Ungleichgewicht? Nun ja, sehr bedingt. Zu einem gewissen Grad sind sie darauf angewiesen, was verkaufswillige Kunden und Kundinnen einliefern. Sie arbeiten profitorientiert und bilden mehr oder weniger den Sekundärmarkt ab – der eben nach wie vor männlich dominiert ist. Doch ist es dort aktuell tatsächlich so extrem schlecht bestellt um die Künstlerinnen, dass in der wichtigsten Contemporary-Auktion des Quartals nicht einmal ein Anteil von DREI Prozent erreicht wird? Es ist kaum zu glauben. Und nicht zu hoffen.

Dorotheum Stiegenaufgang
Dorotheum, Stiegenaufgang, Gestaltung u. a. von Esther Stocker (Wandarbeit), immerhin (c) Sontacchi – Reumiller

Dass genug Werke von Künstlerinnen am Markt zu holen sind, wenn man sich umschaut, das bewies Otto Hans Ressler 2017 mit einer Auktion, die ausschließlich mit Losen von Frauen bestückt war. Manche Künstlerinnen sahen diese Versteigerung als paternalistisch an, das rosarote Katalogcover und die niedrigen Preise taten ihr Übriges, dass die Auktion nicht nur positiv rezipiert wurde (siehe auch den Beitrag von Olga Kronsteiner im Standard)

Und doch: Sich einfach zurückzulehnen und zu sagen, der Markt ist halt so männlich dominiert – das reicht nicht. Schließlich könnten die Expertinnen und Experten ein Auge darauf haben. Zeit wird’s, liebes Dorotheum. Denn, ernsthaft: Ein Künstlerinnenanteil von 2,97 Prozent ist veralteter als ein Taschenrechner aus den Nineties.

3 comments

  1. auch wenn es vielleicht nicht so aussieht: es wird sehr genau ausgesucht, was für auktionen angenommen wird, was überhaupt als verkäuflich angesehen wird. da passen künstlerinnen einfach nicht ins konzept, weil von vornherein nicht an den verkauf geglaubt wird. und was nicht angeboten wird, überraschung! wird auch nicht verkauft. und so weiter…

    1. Liebe Hannah, das ist mir jetzt neu – ich habe noch nie gehört, dass Werke von Künstlerinnen aus Gründen des Geschlechts bewusst abgelehnt würden. Da wäre es interessant, mehr zu erfahren. Meiner Ansicht nach können Auktionshäuser da auch nur sehr bedingt handeln. Andererseits sitzen die Expertinnen und Experten auch nicht nur in ihrem Büro und warten auf Einlieferungen, sondern stehen in Kontakt mit Sammlern und Sammlerinnen. Sie hätten also durchaus Gelegenheit, Bewusstsein zu schaffen. Das Problem ist ein strukturelles.

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