Massenprotest für Natalia LL

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Unlängst war auf Ö1 „Im Gespräch“ mit Manuela Vollmann (hier noch bis 10. Mai zum Nachhören). Das ist die Leiterin des abz*austria. Einer Non-Profit-Organisation, die Frauen im Berufsleben hilft (und dabei weit darüber hinausgeht). Diese Frau hat mich unglaublich beeindruckt. Schon im ersten Drittel des Gesprächs outete sich als hoffnungslose Optimistin. Solche Leute mag ich. Zum Schluss fragte die Interviewerin, Renata Schmidtkunz, ob es nicht einen totalen Backlash in der Gesellschaft gäbe. Dieser zeigte sich sogar bei den Philosophen wie Slavoj Žižek und Robert Pfaller, die tüchtig gegen #MeToo mobil machen, erst unlängst bei einer Veranstaltung der Liste Jetzt, meinte Schmidtkunz.

Was tun?

Ja, sagte Vollmann, eh. Weltweit erlebe man mit Trump und Brexit einen „großen Einbruch“, so drückte sie es aus. Doch es sei an der Zeit zu schauen, was man tun könne. Zum Beispiel bei dieser Diskussion der Herren Žižek und Pfaller, bei der auch Peter Pilz am Podium war. Da habe es ja so eine riesige Gegenveranstaltung gegeben! Mit so vielen Leuten, innerhalb von 48 Stunden organisiert. „Wir dürfen uns nicht die Gestaltungsmacht aus der Hand nehmen lassen“, sagte Manuela Vollmann. Die Gegenveranstaltung sei großartig gewesen, mit vielen jungen Frauen und Männern. Ein solcher Ort stärke sie, und Initiativen wie diese ließen sich nicht von Žižek und anderen abhalten, sondern hielten dagegen. Deswegen bleibe sie Optimistin!  Das Fazit dieser erfahrenen, gescheiten und tatkräftigen Frau: „Es gibt auch eine Möglichkeit des Tuns.“

Natalia LLs abgehängter Feminismus

Das denke ich mir auch gerade angesichts dieser Affäre um die Werke von Natalia LL. Ihre Fotoarbeit „Consumer Art“ von 1973, in der sie aufreizend mit einer Banane einen Blow Job simuliert, wurde abgehängt. Es ist ein großartiges Kunstwerk, eine Inkunabel der feministischen Kunst, nicht nur in Polen, sondern international. Doch der neue Museumsdirektor der Nationalgalerie in Warschau, der keine Ahnung von moderner Kunst hat, aber offenbar der polnischen Regierung nahesteht, will es nicht mehr seinen Gästen zeigen. Andere Sachen, unter anderem von Katarzyna Kozyra, entfernte er auch, übrigens: Lauter Kunst, die sich um Genderthemen dreht, wie Hyperallergic berichtete. Natalia LLs „Consumer Art“ habe angeblich ein Kind traumatisiert. Wer’s glaubt!

Natalia LL

All das passt natürlich nur allzu gut in das Bild, das die polnische Regierung derzeit bietet. Aber das Großartige ist: Die Leute lassen sich das nicht gefallen! Menschen aßen plötzlich aufreizend Bananen in Warschau vor dem Museum, fotografierten einander dabei, stellten alles auf Social Media unter Hashtags wie #bananagate oder #bananowyprotest. Damit zeigten sie Solidarität mit Natalia LLs Arbeit. Bitte, das muss man sich geben: ein Massenprotest für ein feministisches Kunstwerk! Auf diese Weise schaffte es Natalia LL sogar in Medien von globaler Reichweite. CNN, BBC und Washington Post berichteten.

Natalia LL

Ruhm via Protest

Jetzt ist es natürlich skandalös, dass die Werke abgehängt wurden, und keine Künstlerin wünscht sich das. Doch dass sich so viele Menschen einem Protest anschließen, Menschen, die sich ganz bestimmt nicht nur aus dem Kunstbetrieb rekrutieren: Ist das nicht toll? Gibt das nicht Hoffnung? Und hat es Natalia LL nicht wirklich verdient, dass alle Welt ihre Arbeit „Consumer Art“ kennt? „Es gibt auch eine Möglichkeit des Tuns“, sagte Manuela Vollmann. Das dürfen wir nie vergessen. Schon gar nicht in diesen Zeiten. Inzwischen freue ich mich, hoffnungslose Optimistin, erst mal am internationalen Ruhm einer feministischen Künstlerin, der über die Feuilletons und Kulturberichterstattung hinausreicht. 

Natalia LL

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