Brigitte Kowanz ist gestorben. Die Nachricht hat mich schockiert. Es ist so unglaublich traurig, und ich bin mir sicher: Ganz vielen Menschen geht es gerade ganz ähnlich wie mir, und ganz vielen, die sie besser kannten als ich, noch viel ärger. Sie musste gehen, mit erst 64 Jahren.
Heraus aus der Jungs-Partie

Brigitte, die für ihre Lichtkunst bekannt war, machte bestimmt keine feministische Kunst. Ihre Objekte und Installationen aus Neonröhren und Spiegeln nahmen analytische, sprachliche, mediale, auch mathematische Fragestellungen in den Blick. Und doch muss sie für Künstlerinnen jüngerer Generationen prägend gewesen sein. Sie kämpfte sich aus der Jungs-Partie der 1980er-Jahre heraus, erarbeitete sich eine Position, in einer Zeit, wo Museen noch nicht darauf stolz waren, wenn sie Ausstellungen von Frauen zeigten. In einer Zeit, da das Bewusstsein über den weibliche Anteil an der Kunstgeschichte noch überhaupt nicht vorhanden war und männliche Professoren die Kunstunis dominierten. Professoren, die teilweise ihre eigenen Vorstellungen von Geschlechterrollen hatten.
Brigitte jedenfalls, die einige Zeit mit Franz Graf kollaborierte, löste sich später davon und entwickelte beharrlich ihre eigene Formensprache, verfolgte ihren Weg weiter. Sie hat sich damit zu einer der wichtigsten österreichischen Künstler:innen gemacht. Sie lehrte, sie erhielt zahlreiche wichtige und groß dimensionierte Aufträge – zum Beispiel die Lichtkreise auf der „Libelle“ im MQ, über die ich einmal schreiben durfte – und stellte in großen Museen aus, auch auf der Biennale Venedig.
Ein großartiges Role Model

Das ist der eine Grund dafür, dass Brigitte Kowanz eine wichtige Rolle für Künstlerinnen spielt: Sie war ein großartiges Role Model für alle Frauen, die eine künstlerische Laufbahn einschlugen. Und sie zeigte, dass man Mutter sein kann und dennoch als Künstlerin erfolgreich.
Es gibt noch einen anderen Grund: nämlich ihren Umgang mit anderen. Ich hatte einmal das Glück, in ihrer Klasse auf der Universität für angewandte Kunst ihre Diplomand:innen beim Verfassen ihrer Diplomarbeiten unterstützen zu dürfen. Und war tief beeindruckt von Brigittes Umgang mit ihnen.
Wie intensiv sie sich mit ihnen befasste, wie sehr sie sich in ihrer Arbeiten hineindachte, aber auch in ihre persönlichen Probleme, so sie welche hatten – und wie sehr sie dann Dinge von ihnen einforderte, erkannte, wenn jemand noch weiter reflektieren musste und wie sie ihre Kritik ihren Studierenden mitteilte. Klar und deutlich, ohne verletzend zu werden. Wie wichtig das gerade für junge Künstlerinnen ist, kann man sich wohl vorstellen.
Herr Liessmann könnte sich eine Scheibe abschneiden

Brigitte Kowanz war so offen, ließ sich so umstandslos und geradeaus auf andere ein, sie war neugierig auf ihr Gegenüber. Gäbe es mehr solche Leute im Kunstbetrieb, dann wäre es da viel entspannter. Die Streiterei an der Angewandten zur Ausladung von Alice Schwarzer wegen deren angeblicher Islamfeindlichkeit beobachtete sie skeptisch, doch sie diskutierte mit ihren Student:innen auf Augenhöhe. Das waren keine kleinen Kinder für sie, sondern gleichwertige Sparringspartner:innen. Jemand wie ein Herr Liessmann könnte sich eine Scheibe abschneiden von Brigitte Kowanz.

Einmal wurde ihr übel mitgespielt, anders kann ich es leider nicht ausdrücken. Als sie 2017 für den Österreich-Pavillon in Venedig eingeladen wurde nämlich. Leider konnte man sich nicht durchringen, ihr diesen allein zur Gestaltung zu übergeben. Stattdessen spannte sie die Kuratorin, oder war es doch der Kulturminister, mit Erwin Wurm zusammen. Erst zwei Jahre später sollte Österreich reif sein für das erste Frauensolo im Hoffmann-Bau. Wurm setzte dann unter tatkräftiger Hilfe des Steuerschonungsexperten Siegfried Wolf diesen unsäglichen Laster vor das Gebäude, das er in seinem Inneren allein bespielte. Was er sich vorher ausgehandelt hatte. Brigitte blieb ein zusätzlich errichteter Pavillon im Garten. Es war ein großer Fehler, sie nicht alleine zur Biennale einzuladen. Ihre Installationen hätten sich in der Gesamtheit der Räume ganz fantastisch entfaltet.
Aber diese vergebene Chance soll nicht am Ende dieses Beitrags über sie stehen.Sondern die Erinnerung daran, was sie mit ihrer Arbeit und ihrer Persönlichkeit als Künstlerin bewirkte, auch und vor allem bei Kolleginnen. Brigitte machte keine feministische Kunst. Doch sie lebte Feminismus.

Nachtrag: Auf Anregung und weil es vielleicht gerade für Leser:innen in Deutschland und der Schweiz nicht so nahe liegt: Der Seitenhieb auf Konrad Paul Liessmann, einen österreichischen Philosophen, bezieht sich auf dessen Kommentar in einigen Zeitungen. Darin sprach er davon, dass sich AHS-Schüler:innen unter dem Vorwand der Pandemie in eine Opferrolle drängten. Sein Schluss war der sarkastisch gemeinte Satz: „Spaß muss sein.“ Nun sprach Liessmann von Maturant:innen und nicht Studierenden, doch in seinem Kommentar äußerte sich ein grundsätzliches Unverständnis gegenüber den Sorgen junger Menschen. Dabei wissen wir ganz genau, dass diese Alterskohorte derzeit pandemiebedingt sehr geplagt ist von Depressionen etc. Brigitte Kowanz nahm eine weitaus empathischere Haltung der jungen Generation gegenüber ein.
Wie traurig! Danke für dein Geschriebenes!
Danke für den schönen Beitrag!
Super Artikel! bin ganz deiner Meinung!
DANKE Dir sehr herzlich für die einfühlsame Würdigung von Brigitte Kowanz und besonders der damit verbundenen trefflichen Analyse des österreichischen Kunstsystems und der dieser folgenden Kunstpolitik.
Danke, Nina!