Das Allererste, das man über Kiki Kogelnik erfährt, ist ihr Familienstand. „Ich bin verheiratet in New York und hab ein Kind, das in London geboren ist und momentan in Kärnten bei meiner Mama.“ Das darf sie zu Beginn erzählen. Die damals 40-Jährige wird konsequent als „Kiki“ bezeichnet, so, als handle es sich nicht um eine Erwachsene, sondern eine Schülerin. Der ORF-Beitrag, er stammt aus dem Jahr 1975 und ist betitelt mit „Eine Frau Malerin“, interessiert sich nicht für Kogelniks Kunst, sondern für ihr Verhältnis zu Männern.

Ab auf den Dachboden!
Wobei die Geschichte über ihren früheren Verlobten – sie nennt seinen Namen nicht, aber es handelt sich wohl um Arnulf Rainer – schon erzählenswert ist: Nach der Eheschließung, so habe sie angenommen, würden sie beide ihr eigenes Atelier haben. Doch dann bekam sie einen anderen Eindruck von seinen Plänen. Auf die Frage, wo sie sich im gemeinsam bewohnten, recht geräumigen Domizil mit ihrer Staffelei niederlassen könne, habe ihr das Gespons „am Dachboden eine Glühbirne angeschraubt und gesagt: Das ist dein Atelier.“ Da hatte man die weibliche Konkurrenz gern: im allerletzten Kammerl, beleuchtet von einer Funzel.
In dem ORF-Beitrag erzählt sie weiter, über ihr Leben, ihre Reiselust sowie eine Women-Only-Party mit Stripper. Am Ende des Beitrags sagt der Sprecher: „Ihr Mann ist mit alledem einverstanden.“ Denn: „Für solche Frauen gelten andere Maßstäbe.“ Zur Erinnerung: 1975 wurde in Österreich gerade erst die Familienrechtsreform in Gang gesetzt, da konnten verheiratete Frauen endlich auch ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns einer Erwerbsarbeit nachgehen. Da konnte eine Frau froh sein, wenn ihr Herrl „mit alledem einverstanden war“ – halt nur, wenn für sie „andere Maßstäbe“ galten. Alle anderen, die keine künstlerische Begabung aufwiesen, sollen gefälligst weiterhin daheim den Kochlöffel schwingen, den Kindern den Hintern ausputzen, für den Gemahl das Betterl her- und sich selbst darin anrichten. So der Subtext.
„Höchstens Gefährtinnen“
Wenn man ein bisschen recherchiert über Kiki Kogelnik (1935-1997), deren von Lisa Ortner-Kreil hervorragend kuratierte Ausstellung im Kunstforum Wien ich schon jetzt allen ans Herz lege, stellt sich bald heraus, wie die allgegenwärtige Misogynie jener Zeit Künstlerinnen das Leben schwer machte. Als ich vorige Woche für einen Artikel für profil die Chefin des Kunstforums, Ingried Brugger, zu Kogelnik befragte, sagte sie treffend: „Zu ihrer Zeit waren Künstlerinnen in Wien keine Künstlerinnen, sondern höchstens Gefährtinnen von Künstlern. Die Geschichten über Kogelnik produzieren das Bild einer schrägen Figur, die als Künstlerin nicht unbedingt ernst zu nehmen ist.“ Damit hat sie zweifellos recht.

Ein Jahr, nachdem Kiki Kogelnik tragischerweise an Krebs verstorben war, zeigte das Belvedere eine Ausstellung von ihr. Dazu versammelte man, in guter Absicht, Zitate und Interviews über sie. Hier einige Auszüge:
Wilhelm Holzbauer: „Kiki strahlte damals ein Bild weiblicher Schönheit aus, die geprägt war von natürlicher Frische, vermeintlicher Naivität, fast ländlicher Robustheit“ („Weibliche Schönheit“ ist echt wichtig für eine Künstlerin.)
Friedensreich Hundertwasser: „Kiki Kogelnik ist eine der wenigen Frauen, die sich ein Weltbild ermalt haben“ (Es gibt so wenige Malerinnen).
Arnulf Rainer: „Kiki war sehr frisch und direkt, hatte einen gewissen Kindfrauencharme“ (Kann man so ein Kinderl überhaupt ernst nehmen?)
Oswald Oberhuber: „Man hat gemerkt, dass sie als Frau mit einem gewissen Unvermögen, das ich sehr gern hab, die Probleme Bildaufbau usw. angegangen ist“ (Wissen doch alle, dass Frauen eine schlechte Raumvorstellung haben, wie sollen sie da ein Bild aufbauen.)
Markus Prachensky: „Ich glaube nicht, dass sie Nachteile gehabt hat, weil sie eine Frau war.“ (Dream on!)
Maria Lassnig: „Kiki hat schon in jungen Jahren, in der Zeit Monsignore Mauers, vertrauend auf ihre Schönheit und Sexappeal begonnen eine gesellschaftliche Rolle zu spielen. In New York, unterstützt von ihrem lieben Mann, konnte sich ihre gesellschaftliche Befähigung voll entfalten, zum Nutzen der New Yorker Künstler und New York Besucher.“
Gerade das Statement der großen Lassnig schmerzt wirklich. Es zeigt, wie das Patriarchat Frauen zu, wie Elfriede Jelinek es immer ausdrückte, Kollaborateurinnen machte, wie es sie in eine giftige und unproduktive Art von Konkurrenz zueinander brachte. Nicht einmal nach Kogelniks Tod konnte Lassnig sich ein freundliches Wort über die Kunst ihrer Kollegin abringen – wie traurig.

Kritik am Schönheitszwang
In New York drang Kiki Kogelnik zu Lebzeiten nicht wirklich durch, vertrat sie doch in ihrer Wahlheimat nie eine Galerie wirklich konsequent. Einem Künstler mit einem derart vielfältigen und aufregenden Werk wie Kiki Kogelnik wäre das sicher nicht passiert. Wie Künstlerinnen, selbstverständlich auch in den USA und nicht nur in Österreich, diskriminiert wurden, erzählte Lucy Lippard schon in den 1970er-Jahren detailliert nach in ihrem Buch „From the center. Feminist essays on women’s art“.
Kiki Kogelnik malte anfänglich großartige abstrakte, später halb figurative Bilder, die sich über die Jahrzehnte ihre Frische bewahrt haben. Dann entwickelte sie ihre „Hangings“, aus buntem Vinyl ausgeschnittene Folien, die sie über Kleiderhaken hängte, und widmete sich dem Space Age – auf ihren Bildern versammelte sie Schablonenkörper, Zahnräder, Weltraumstationen. Die Biennale Venedig 2022 zeigte zahlreiche dieser Arbeiten voriges Jahr in der Sektion „Seduction of the Cyborg“. Danach arbeitete Kiki Kogelnik in ihren „Womens‘ Paintings“ mit Vorlagen aus der Modefotografie und kritisierte den Schönheitszwang. Zum Ende ihres Lebens wurde sie in Österreich mit ihren Glasköpfen bekannt.

Feministin trotz Eheglücks
Dezidiert feministische Aussagen gibt es eher selten in ihren Arbeiten, wenn, dann am ehesten in den „Womens‘ Paintings“. Dennoch druckte eine Galerie in den späten 1970er-Jahren folgenden (später von Kogelnik zensierten) Satz in einen Katalog: „Trotz eines verhältnismäßig glücklichen Ehelebens ist eine gewisse feministische Aggressivität in ihrem Werk nicht von der Hand zu weisen.“ Sapperlot! Wie kann es sein, dass eine glücklich verheiratete Frau stereotype Frauenbilder anprangert? Wo doch alle wissen, dass nur frustrierte und schiache alte Weiber Feministinnen werden?
Ja, das ist alles vierzig, fünfzig Jahre her. Aber es wirkt bis heute nach. Ein Gemälde von Kiki Kogelnik wurde kürzlich für 240.000 Euro versteigert, das ist schon ein absoluter Rekord – und das für eine historisch abgesicherte Position. Ein Daniel Richter kostet fallweise das Vielfache. Wo könnte Kogelnik jetzt sein, wenn man sie gleich behandelt hätte wie ihre männlichen Kollegen? Wie berühmt wäre ihr Werk jetzt? Wie anders wäre unser Bild der Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert, wenn sie und so viele andere Künstlerinnen gleichauf mit vielen männlichen Kollegen in Museen vertreten wäre, so, wie es ihnen gebührt?

Sehr, sehr viel Luft nach oben
Es ist toll, dass das Kunstforum Wien in einer großen Präsentation das Oeuvre der Künstlerin zeigt. Es gab hier großartige und verdienstvolle Ausstellungen zur Kunst von Frauen – vielleicht erstmals überhaupt zeigte das Haus die Künstlerinnen der Art Brut, und die Schau „Jahrhundert der Frauen“ 1999/2000 hat viele Künstlerinnen stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Doch von 2013 bis 2023 waren und sind 17 Soloshows von Künstlerin und vier von Künstlerinnen zu sehen, eine Frauenquote von 20 Prozent. Da ist noch sehr, sehr viel Luft nach oben – total euphemistisch ausgedrückt.
Einerseits freue ich mich über die aktuelle Ausstellung. Andererseits bin ich desillusioniert angesichts dieses Frauenanteils. Kogelnik hatte schon recht, als sie 1975 sagte, dass „in den nächsten 50 Jahren in der Kunstwelt die Frauen aufholen“ würde. Das erleben wir gerade in den Galerien. Es sollte sich auch in den Institutionen abbilden. An vielen Orten ist es schon der Fall.
Zur Ausstellungseröffnung am 1. Februar um 18.30 Uhr hält die großartige Schriftstellerin Gertraud Klemm eine Rede, die auch gestreamt wird. Hier der Link zur Anmeldung und zur Liveschalte: http://www.einladung.cc/leisure/kiki-kogelnik-2023-vernissage
Wer sich eine zeitgemäßere ORF-Doku ansehen möchte, sei verwiesen auf Ines Mitterer-Guitarts Porträt „Kikis Kosmos – Die Kunst der Kiki Kogelnik“ (30. Jänner, 23.13 Uhr im ORF, danach sieben Tage in der TV-thek).
