Hoch aufs Ornament!

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Ein Mann führt eine Gruppe durch die Ausstellung „Pattern and Decoration. Ornament als Versprechen“, kuratiert von Manuela Ammer im Mumok. Er erzählt, dass er sich bei den Werken gefragt habe, ob sie von einer Frau oder einem Mann stammen. Leider sei er bei den meisten seiner Vermutungen falsch gelegen. 

Kim MacConnel, Edible
Kim MacConnel, Edible, 1979, Ludwig Museum – Museum of Contemporary Art, Budapest, Foto: Ludwig Museum – Museum of Contemporary Art, Budapest © Kim MacConnel

Und das wundert einen nicht. Die Diskussion, ob sich Kunstwerke gendermäßig zuordnen lassen, ist ohnehin eher müßig. Das Schöne, Tolle, Großartige an Pattern and Decoration (kurz: P&D), dieser in Europa ziemlich unbekannten Kunstrichtung aus den USA der 70er-Jahre, ist ja genau das: Dass Künstlerinnen und Künstler gleichberechtigt Werke entwickelten, die eine bis dahin verachtete Ästhetik aus einer traditionell weiblichen Sphäre aufnahmen. Und was sie sich alles anhören mussten deswegen, von den Hohepriestern der Minimal Art!

Fest des Dekorativen

Die Kompositionen von Miriam Schapiro, Joyce Kozloff, Tony Kushner, Kim MacConell und anderen überwältigen einen schlichtweg: riesige Fächer aus glamourösen Textilien. Installationen aus zahllosen bunten Fliesen, jede eigens liebevoll gestaltet. Stoffstücke, die von gemalten Sternen überlagert werden. Wild gemusterte Gewebe, so collagiert, sodass schräge Chinoisierien auf Polka-Dot-Design stoßen. Es ist ein Fest des Dekorativen, Lustvollen, Überbordenden. Wobei ich mir in den so sterilen Räumen des Mumok eine dichtere Hängung wünschen würde.

Brad Davis, Night Cry
Brad Davis, Night Cry, 1979, mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung, seit 1991. Foto: mumok © Brad Davis

Quilt-Technik

In einem Video kommt die Künstlerin Jane Kaufmann zu Wort, die viele Arbeiten in Quilt-Technik herstellte. „Ich habe mich für Quilts entschieden, weil es Kunst war, die von Frauen gemacht wurden, bevor sie Kunst machen durften“, sagt sie. Insofern sei ihre Arbeit immer ein feministisches Statement gewesen. Miriam Schapiro, die wesentlich für die Gründung von P&D verantwortlich war, hatte bereits zuvor in Kalifornien gemeinsam mit Judy Chicago einen Lehrgang für feministische Kunst geleitet. „Ich wollte die traditionellen Aktivitäten von Frauen aufwerten und mit den unbekannten Künstlerinnen in Verbindung treten, die Quilts angefertigt und die unsichtbaren Frauenarbeiten in unserer Zivilsation erledigt hatten“, wird sie im Ausstellungskatalog von Anne Swartz zitiert, einer Kunsthistorikerin, die maßgeblich am P&D-Revival beteiligt ist.

Miriam Schapiro
Miriam Schapiro, Geometry in Flowers, 1978, Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen, Foto: Carl Brunn / Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen © Estate of Miriam Schapiro / Bildrecht Wien, 2019

Bemerkenswert auch, wie sehr die männlichen Künstler ihre eigene Rolle reflektierten, damals schon. Einer von ihnen, Tony Robbin, sagt im Video mit gespieltem Entsetzen: „Ich liebe venezianische Fliesen und schäme mich dafür! Und ich bin ein Mann!“ Dieses Männlichkeitsbild, so meint er anschließend, sei „selbstzerstörerisch“. 

Joyce Kozloff
Joyce Kozloff, Tut’s Wallpaper / Pilaster Pair II, 1979, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig Stiftung, Foto: mumok © Joyce Kozloff

Besser spät als nie

Wie aber Anne Swartz im Katalog richtig schreibt, verschleiert der ausschließliche Fokus auf die feministischen Aspekte von P&D dessen Vielschichtigkeit. P&D näherte sich ja nicht nur als weiblich definierter Handarbeit, sondern nahm auch Formen aus afrikanischen und asiatischen Ländern auf, ebenso Folklore. Tatsächlich geht es also auch um eine Abwendung von einem west-zentrierten Weltbild, eine Ausweitung des formalen Repertoires. „Heute bietet P&D zahlreiche Anknüpfungspunkte für erweiterte Möglichkeiten visueller Komplexität“, so Swartz in ihrem Essay. Und für eine gleichberechtigte Art des gemeinsamen Nachdenkens über und Entwickelns von Kunst, möchte man hinzufügen. Vor dem Hintergrund vieler anderer Künstlergruppen erscheint P&D wie die Verwirklichung einer Utopie. Nur eines fragt man sich: Wieso hat das Mumok, in dessen Sammlung zentrale Werke der Bewegung sind, so lange gebraucht, um diese mal groß zu präsentieren? Aber gut. Besser spät als nie. Was lauert da wohl noch alles?

Valerie Jaudon
Valerie Jaudon Hattiesburg, 1979, Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen. Foto: Carl Brunn / Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen © Bildrecht Wien, 2019

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