Lasst uns feiern!

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Es passiert nicht so häufig, dass kunstaffine Feministinnen gleich zweimal innerhalb einer Woche in Feierstimmung kommen (also aufgrund des kunstaffinen Feminismus, ansonsten eh). Doch in den vorigen Tagen war es so weit. Das erste Mal, als die Sammlung Verbund ihre neue Ausstellung, „Feministische Avantgarde. Made in Austria“ eröffnete. Zur Pressekonferenz konnte ich nicht kommen (man ist ja auch noch ökonomisch erwerbstätig), doch die Eröffnung ließ ich mir nicht entgehen.

Anstellen für den Feminismus

Schon beim Eingang musste man sich anstellen. Jetzt find ich ja Schlangen immer nervig. Nie im Leben würde ich bei einem dieser blöden Eissalons anstehen, nur um ein veganes Eis für sieben Euro zu kaufen. Doch hier war’s was anderes: So viele Leute wollen feministische Kunst sehen! Wie toll. Und natürlich lohnt sich die Besichtigung der Ausstellung, kein Wunder, dass die Medien sie bejubelten.

Feministische Avantgarde Made in Austria
Feministische Avantgarde Made in Austria, Ausstellungsansicht, Foto: Sandro Zanzinger

Allein, was Sammlungsleiterin Gabriele Schor (hier ein Interview mit ihr aus 2018) schon wieder an neuem Alten ausgegraben hat: diese Porträts mit zugenähtem Mund von Veronika Dreier, die Gesichtsschmuck-Entwürfe von Brigitte Lang, die frivolen schwungvollen Zeichnungen von Anita Münz! Alles kaum bekannt bisher, im Gegensatz zu manchen anderen Arbeiten wie denen der immer wunderbaren Margot Pilz oder ebenso großartigen Auguste Kronheim. Und natürlich war’s wieder so, dass einige der Künstlerinnen erst mal genauer Nachschau halten mussten, was da eigentlich noch da war. Weil, so genau hatten sie das nicht mehr gewusst. Hatte schon länger niemand mehr danach gefragt. Bei der Rede von Gabriele Schor staute es sich dann – und wer aller da war! Menschen, die die wichtigsten Kunstmuseen des Landes leiten (Karola Kraus, Stella Rollig, Christoph Thun-Hohenstein), die Vienna-Contemporary-Chefin, Johanna Chromik, natürlich viele Kuratorinnen und Galeristinnen. Und Künstlerinnen!

Sammlung Verbund
Brigitte Lang, Margot Pilz, Linda Christanell, Anita Münz, Ingeborg G. Pluhar , Gerda Fassel, Mag. Dr. Michael Strugl (Stv. Vorstandsvorsitzender Verbund AG), Gabriele Schor, Renate Bertlmann, Karin Mack, Veronika Dreier (v. li.) ©Redtenbacher

„Innovativ, mutig, unkonventionell“

Viele der älteren Semester strahlten, hatten so eine Freude damit, das ihre Kunst endlich die überfällige Aufmerksamkeit bekam. Und was echt besonders war: Ulrike Lunacek, die österreichische Staatssekretärin für Kunst und Kultur, war gekommen, um die Ausstellung zu eröffnen. Gabriele Schor zufolge hätte diesen Part eigentlich der Sektionschef übernommen, doch dann wollte die Staatssekretärin das selbst tun. Angesichts des Verhaltens ihres Vorgängers in solchen Situationen, des Türkisen Gernot Blümel, kann man da nur Freudenschreie ausstoßen. Natürlich, Blümel hatte weitaus mehr Agenden als die Kultur, anders als jetzt Lunacek. Doch seine Spezialität war es, Veranstaltungen vorzeitig zu verlassen. Lunacek dagegen sah sich die Ausstellung genau an, sprach mit den Künstlerinnen. Es interessierte sie, was da zu sehen ist.

Anita Münz, Schön brav sein, 1981 © Anita Münz/Sammlung Verbund

Und das zweite Mal, als ich gern eine Flasche Champagner aufmachen wollte (ging leider nicht, war bis gestern mit Erkältung im Bett): Als die Staatssekretärin bekannt gab, dass Jakob Lena Knebl – im Lentos hat sie gerade eine bejubelte Ausstellung – und Ashley Scheirl den österreichischen Biennale-Pavillon 2021 bespielen würden. Sie seien „zwei der dynamischsten und international renommiertesten Künstlerinnen, die Österreich derzeit hat“, sagte Ulrike Lunacek, wie mehrere Medien berichteten. Ihre Arbeiten nannte sie „innovativ, mutig und unkonventionell“, eine „multimediale und humorvolle Auseinandersetzung mit Geschlechteridentitäten.“ 

Lunacek
Jakob Lena Knebl, Ashley Hans Scheirl, Staatssekretärin Ulrike Lunacek, Jury-Mitglied Hemma Schmutz, Foto: HBF/Trippolt

Her mit dem Champagner!

Wir haben in diesem Land eine Frauenministerin, die offenbar lieber ihre Zunge abbeißen würde, als sich Feministin zu nennen. Wir haben wenig Unterstützung für jene muslimischen Frauen, die welche brauchen würden, dafür lächerliche Kopftuchverbote. Wir haben furchtbare Frauenmorde. Wir haben immer noch den Scheiß-Gender-Pay-Gap. Und wir haben eine ökonomische Schieflage zwischen den Geschlechtern auch am Kunstmarkt.

Aber wir haben auch eine Kunst-Staatssekretärin, die Feminismus versteht. Es ist, glaube ich, das erste Mal in der Geschichte dieser Republik. Sollen wir uns darüber beklagen, dass das so lange brauchte? Oder lieber jubeln, dass es so ist? Ich wär dann doch lieber für den Champagner.

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