Dröge: Kaum Künstlerinnen auf der Art Austria Highlights

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Manchmal tendiere ich zu Optimismus. Zum Beispiel beim Blick in österreichische Ausstellungsinstitutionen. Das Belvedere zeigt jetzt die großartige Schau von Louise Bourgeois*, kürzlich eröffnete es eine Retro zu Renate Bertlmann. Im Mumok, in der Kunsthalle, und auch nicht zu vergessen, in vielen Häusern in den anderen Bundesländern – Museum der Moderne in Salzburg, Kunsthaus Bregenz, Kunsthalle Krems, Kunsthaus Graz – ist Geschlechterparität selbstverständlicher Standard. Die Galerien ziehen nach – fast 43 Prozent an Solo-Galerieausstellungen waren in den von 2020 bis 2022 Künstlerinnen gewidmet. 

Norbertine Bresslern-Roth zwischen Kubin und Staudacher (bei Kunsthandel Runge, Art Austria Highlights)

Art Austria Highlights – mit wenigen Frauen

Doch dann betrat ich am Sonntag den Wiener Eislaufverein. Dort lief die Messe Art Austria Highlights. Staudacher, Nitsch, Damisch, Wurm, Prachensky, Rainer, Bischoffshausen, Brus. Oder: Walde, Klimt, Schiele, Moll, Kokoschka, Werner Berg. Und dann wieder von vorne: Staudacher, Nitsch, Damisch, Wurm und so weiter und so fort. Komischerweise fiel es mir erst auf, als plötzlich ein glitzernder Kopf auf einem Bild von Kiki Kogelnik aus einem Eck lugte. Oder waren es die zwei Papierarbeiten von Maria Lassnig, die Sylvia Kovacek an ihrem Stand präsentierte? Wahrscheinlich hatte ich es nicht gleich bemerkt, weil es bei Kunstmessen mit Schwerpunkt österreichische Kunst der Moderne und Gegenwart ohnehin immer so ist: Es sind kaum Künstlerinnen dabei! Manche Stände der Art Austria Highlights Stände kamen überhaupt so gut wie ohne weibliche Beteiligung au. Stattdessen, immer wieder: Staudacher. Nitsch, Damisch, Wurm.

Maria Lassnig zwischen Arnulf Rainer und Joannis Avramidis bei Sylvia Kovacek Spiegelgasse, Art Austria Highlights

Taussig, wo bist du?

Wo bleibt Helga Philipp? Wo Lieselott Beschorner? Wo Margot Pilz? Wo Lilly Steiner? Wo Erika Giovanna Klien, Florentina Pakosta, Hildegard Joos? Greta Freist, Broncia Koller-Pinell, Helene Taussig? Vally Wieselthier, Gudrun Baudisch? Gut, es ist nicht auszuschließen, dass ich etwas übersehen hätte, obwohl die Messe nicht gar so ausufernd groß ist. Eine echt positive Ausnahme war die Salzburger Galerie L.art (vormals Weihergut), die Arbeiten der tollen Frenzi Rigling (mit der ich kürzlich anlässlich ihrer Kremser Schau über Feminismus sprechen durfte) dabei hatte, von Dorothee Golz – die immerhin schon mal auf der documenta ausstellte! – und von Inge Dick, die eigentlich für Fotoarbeiten bekannt sich, sich aber kürzlich im zarten Alter von Anfang 80 mit einem Blattgoldgemälde neu erfand.

Glänzende Ausnahme: Dorothee Golz und Inge Dick bei L.art aus Salzburg, Art Austria Highlights

Dazwischen ein paar weibliche Einsprengsel – immer wieder, leicht erkennbar, Kiki Kogelnik, eine schöne Helene Funke beim Kunsthandel Widder, Norbertine Bresslern-Roth. Fast immer sind die Künstlerinnen eingeklemmt zwischen einem Haufen männlicher Kollegen. 

Nitsch und Rainer allüberall

Schon eher frustrierend also. Kunstwerke mit hohem Wiedererkennungswert, die sich seit Jahrzehnten im Markt festgebissen haben, verkaufen sich schlicht besser. Die Abstraktion der Nachkriegszeit, der Wiener Aktionismus, die Jungen Wilden der Eighties: Wer sich einen Staudacher, einen Nitsch oder einen Damisch daheim aufhängt, weiß, dass dieser eher als solcher identifiziert wird – und Sozialprestige bringt – als eine der genannten Künstlerinnen. Bei Maria Lassnig klappt das schon gut, aber von ihr ist nicht so viel am Markt, wie sich bei jeder Auktion zeigt. Der Sekundärmarkt ist eben wahnsinnig träge, nicht nur in den Auktionshäusern, sondern auch in den Galerien. Doch was bedeutet das, wenn die Kund*innen dieser Kunsthandlungen kaum Werke von Künstlerinnen angeboten bekommen? Dass sie in ihren Wohn- und Esszimmern, in ihren Salons, Vorzimmern und Wintergärten, in der Altbauwohnung in Hietzing, dem Wochenendhaus in der Steiermark und auch im Chalet im Engadin kaum Kunst von Frauen hängen haben. Dass sie diese dann auch nicht für Ausstellungen zur Verfügung stellen oder an Museen schenken können. Und dann halt sowas rauskommt wie jetzt die Ausstellung der Sammlung Würth im Leopold Museum mit ganz, ganz wenigen Künstlerinnen. Im Bereich der Klassischen Moderne und der Nachkriegszeit herrschen da im privaten Kunstmarkt noch enorme Fehlstellen. Warum, zum Geier, muss das 2023 noch immer so sein? Warum muss diese Art Austria Highlights so fast ausschließlich männlich sein, wo doch ihre Besucher*innen großteils weiblich sind? Und warum muss das auf jede Kunstmesse dieser Art zutreffen? 

Lydia von Spallart,
Lydia von Spallart, „Jahr am Teich X (Oktober)“, Öl auf Leinwand, 1956 (c) Kunsthandel Hieke

Unter dem Radar

Eine für mich total neue großartige Künstlerin entdeckte ich aber doch. Sie heißt Lydia von Spallart; vier Werke von ihr hingen am Stand von Ursula Hieke. Mich zogen sofort ihre Landschaften an, die irgendwie zersprengt sind, in Formen und Farben zerlegt, ein bisschen ans Informel erinnerten, aber teilweise doch ihre Gegenständlichkeit behalten. Spallart wurde 1899 in Wien geboren und ist trotz ihrer großartigen Kunst hier ziemlich unbekannt. Wie mir Alice Hoppe-Harnoncourt, die über sie recherchiert hat, erzählte, war Spallart in den 1920er- und 30er-Jahren in Berliner Avantgardekreisen unterwegs – später auch in Ascona in der Schweiz. Dort war sie in einem Künstlerzirkel um Marianne von Werefkin. Danach lebte sie wieder in Deutschland. Im Nationalsozialismus scheint sie in innerer Emigration gelebt haben – anscheinend war sie nicht bei der Reichskunstkammer (nur deren Mitglieder durften ausstellen). Später lebte sie zurückgezogen in Tirol;1961 starb sie. In den wenigen Schriften, die von ihr überliefert sind, berichtet sie mehr über ihren Mann, den Schauspieler Johann von Spallart, als über sich selbst, erzählte Hoppe-Harnoncourt.

Bis heute fliegt Lydia von Spallart unter dem Radar, dabei ist sie echt einen zweiten und dritten Blick wert.

Ewig dasselbe?

Während ich so durch die Art Austria Highlights schlenderte, kam mir ein Gedanke: Was, wenn jemand in Wien eine Kunsthandlung eröffnen würde, die sich auf Künstlerinnen spezialisierte? Also nur mit Frauen handelt – Helene Funke und My Ullmann, Christa Hauer und Maria Biljan-Bilger, Friedl Dicker und Ilse Twardowsky-Conrat? Tina Blau und Olga Wisinger-Florian? Elena Luksch-Makowski und Fanny Harlfinger? Es gäbe ja genügend Positionen, die vielleicht auch eine interessierte, am nicht immer ewig Gleichen hängenden Sammlerschicht für sich neu erschließen könnte.

Also ich fände es sehr spannend. Leider fehlt mir die Kunstmarkt-Erfahrung. Es wird wohl jemand anderer ran müssen. Staudacher, Nitsch, Damisch, Wurm. Nichts gegen diese Herren, aber: Soll es ewig so dröge weitergehen auf diesen Kunstmessen?

Noch ein Hinweis in eigener Sache: Kürzlich gestaltete Petra Erdmann auf Ö1 ein fantastisches „Diagonal“ zum Thema „Female Gaze“ – für das sich mich interviewt hat zu Alten Meisterinnen und ihrer (Unter-)Repräsentanz in Museen und einiges mehr – hier noch bis 7.10.2023.

*Offenlegung: Über Bourgeois schrieb ich kürzlich einen Text für das Magazin des Belvedere.

3 comments

  1. Liebe Nina,

    Danke wiedermal für deinen Bericht. Ich beobachte ähnliches. Ein Trauerspiel. 
    Und ja, wie du sagst, jemand anderes muss ran. In dem Fall, ich. 
    Ich bin daran hier etwas ins Leben zu rufen, was diese Mechanismen beginnt auszuhebeln und dagegen zu halten. Weil, es reicht einfach! 

    Liebe Grüße einstweilen,
    Asta 

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