Elena Luksch-Makowsky: The Lady vanishes

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Was waren wir doch hinterwäldlerisch in Wien! Im frühen 20. Jahrhundert durften, wie wir wissen, Frauen noch lange nicht an der Kunstakademie studieren. In Russland waren sie da schon viel, viel weiter: Bereits im 19. Jahrhundert durften ambitionierte Nachwuchskünstlerinnen ihr Können an Hochschulen ausbauen. Das wird einer einmal mehr bewusst in der Ausstellung von Elena Luksch-Makowsky im Belvedere, die jetzt glücklicherweise wieder öffnen durfte. Die Schau mit dem Titel „IM BLICK: Elena Luksch-Makowsky. Silver Age und Secession“ läuft in der Reihe, wo das Museum Werke aus seiner Sammlung in den Mittelpunkt stellt und die Forschung dazu.

Die Ausstellung von Luksch-Makowsky, zusammengetragen von Belvedere-Kurator Alexander Klee, fächert schön das Spannungsfeld zwischen den russischen Wurzeln der glamourösen Malerin, symbolistischen Strängen und Jugendstil auf: Folkloristische Darstellungen vereinen sich mit aufgeladenen Allegorien wie der mittlerweile recht bekannten „Adolescentia“. Im letzten Raum zeigt die Ausstellung die Spielzeugsammlung der Künstlerin, ein schöner Verweis auf die wichtige folkloristische Dimension ihres Werks. Auch Sozialkritik konnte sie, wie empathische Porträts (etwa „Der Zwerg“) zeigen. Und die bunten, fast comicartigen Bilderbögen weisen sie als Humoristin aus.

Elena Luksch-Makowsky Selbstbildnis, 1896 Foto: Christopher Kesting / Belvedere, Wien
Elena Luksch-Makowsky Selbstbildnis, 1896 Foto: Christopher Kesting / Belvedere, Wien

Luksch-Makowsky, die Kosmopolitin

Elena Luksch-Makowsky hatte ein bewegtes Leben zwischen Russland, Wien und Deutschland. Geboren 1878 als Tochter eines Hofmalers, reiste sie mit ihrer Mutter bereits als Kind durch Europa, studierte Kunst bei Ilja Repin und später an der St. Petersburger Akademie, ging dann über München nach Wien und stellte hier in der Secession aus, arbeitete auch mit Josef Hoffmann zusammen, hielt stetig Kontakt nach Russland, reiste weiterhin durch die Weltgeschichte und zog später nach Hamburg, wo sie 1967 starb. Eine echte Kosmopolitin, oft eingedeckt mit guten Aufträgen. Den „Melpomenefries“, den sie für das Wiener Bürgertheater schuf, konnte das Belvedere leider nicht zeigen: Er ist im Besitz des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe und konnte aufgrund von Covid19 nicht installiert werden.

Elena Luksch-Makowsky, Der Zwerg, 1900 Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Der Zwerg, 1900. Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

Misogynes Klima

Als Luksch-Makowsky nach Wien kam, muss sie es gewohnt gewesen sein, als Künstlerin ernst genommen zu werden. Umso größer muss der Schock gewesen sein. Das schildert Sabine Fellner, die Luksch-Makowsky schon mehrmals in Ausstellungen zeigte (etwa in der tollen Schau „Stadt der Frauen“, ebenfalls im Belvedere) in ihrem Katalogbeitrag, der sich um die Künstlerin und ihre Kollegin Teresa Feodorowna Ries dreht: „Das misogyne Klima in Wien muss für sie ungewohnt und schwer zu ertragen gewesen sein“, schreibt sie. Doch sie boten dem Stirn. Fellner: „Für den Mut und das Durchsetzungsvermögen von Teresa Feodorowna Ries und Elena Luksch-Makowsky spricht die Tatsache, dass beide Künstlerinnen – obwohl dies zu jener Zeit für Frauen fast unmöglich war – auch öffentliche Aufträge erhielten.“

Elena Luksch Bildnis der schwangeren Elena Luksch-Makowsky, ca. 1901 Foto: Christopher Kesting / Belvedere, Wien
Bildnis der schwangeren Elena Luksch-Makowsky, ca. 1901. Foto: Christopher Kesting / Belvedere, Wien

Folie Mutter

Besonders bemerkenswert in Bezug auf Genderrollen fand ich Luksch-Makowskys Gemälde „Ver Sacrum (Selbstbildnis mit Sohn Peter)“, 1901 entstanden. Eine weibliche Gestalt, sehr flächig und summarisch gemalt, hält ein männliches Kleinkind, das bis auf ein hochgerutschtes Shirt entblößt ist, vor sich. Es erscheint weitaus plastischer als seine Trägerin. Im Hintergrund lodert rotes Licht, die Künstlerin blickt uns aus schwarzen Augen entgegen. Kurator Alexander Klee vergleicht im Katalog dieses Bild mit Mariendarstellungen in russischen Ikonen, weist darauf hin, dass das Kind schutzbedürftig wirkt, dass Schiele und Kokoschka das Werk auch aufgegriffen hätten. Man darf dem Werk auch seine allegorische Bedeutung, die schon im Titel steckt, nicht absprechen. Doch es hat eine weitere Dimension. Indem Luksch-Makowsky die Mutter, sich selbst, hinter dem Kind verschwinden lässt, sagt sie auch: Sobald du ein Kind auf die Welt gebracht hast, bist du für deine Umgebung nur mehr eine Folie für das Kleine.

Elena Luksch-Makowsky, Ver Sacrum, Selbstporträt mit Sohn Peter, 1901 Foto: Johannes Stoll © Belvedere, Wien
Ver Sacrum, Selbstporträt mit Sohn Peter, 1901. Foto: Johannes Stoll © Belvedere, Wien

Jede, die schon mal Mutter wurde, wird diesen Blick auf sich bestätigen können: Wie der eigene Körper plötzlich ganz selbstverständlich zum öffentlichen Verhandlungsgegenstand wird („Stillst du eh?“), wie die erste Frage nach der Geburt stets die nach dem Kinde ist („Und, wo hast du deine Tochter/deinen Sohn gelassen?“), wie Leute, die man für aufgeklärt hielt, eine auf einmal schon quasi weg vom Fenster sehen („Kannst du denn weiterarbeiten?“). Und wie es ja tatsächlich so vielen passiert, dass ihre Individualität zwischen Windeltisch und Waschmaschine verblasst. Weil einfach die Typen ihren Arsch nicht hochkriegen oder an die Kastrationskräfte des Staubsaugers glauben! Elena Luksch-Makowsky soll übrigens gesagt haben, dass sie nur zehn Prozent ihrer Pläne umsetzen habe können – nicht nur aufgrund politischer Umstände, sondern auch aufgrund ihrer Mutterschaft. Ich fürchte, es gibt auch heute noch genug Künstlerinnen, denen es ähnlich geht.

Der „männliche“ Stil

Es gibt bestimmte Muster, die sich in der Rezeption von Künstlerinnen dieses Formats durchziehen. Eines ist zum Beispiel, dass ihr Stil als „männlich“ gefeiert wird. Ein anderes, dass die Nachwelt ihr Werke männlichen Künstlern zuschreibt. Das zieht sich durch, egal, ob Artemisia Gentileschi oder Käthe Kollwitz. Auch im Fall von Elena Luksch-Makowsky sind diese beiden Fehltritte männlicher Kunstgeschichtsschreibung passiert. Gut, dass nun eine konzise Schau ihr Werk neu aufbereitet. 

Elena Luksch-Makowsky, Adolescentia, 1903 Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien
Adolescentia, 1903. Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

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