Schlagkräftige Initiativen auf der Foto Wien

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Es gibt diese Anglizismen wie: „Sinn machen“ oder „Liebe machen“ oder „einen Unterschied machen“. Einerseits hören sich solche Wendungen komisch an. Andererseits: Das „Machen“ ist auch ein schöner Ausdruck für Selbstermächtigung. Genau darum geht es in diesem Beitrag: um Selbstermächtigung. Aber auch die Ermächtigung anderer. Und darum, wie Künstlerinnen nachhaltig „einen Unterschied machen“ können, mit Biss und Verve. Auf der Foto Wien war zu sehen, wie.

Ins rechte Licht gerückt


Unlängst durfte ich Fotografinnen treffen, die feministisch echt etwas bewegen.
Die Foto Wien lud ein zu einem Talk mit drei wunderbaren Frauen, die sich erfolgreich für ihre Kolleginnen ins Zeug legen: Marie Docher, Cheryl Newman und Charlotte Schmitz. Ich durfte moderieren*, und wir sprachen vor allem über ihre Initiativen, die Fotografinnen endlich ins rechte Licht rücken. Die Pressefotografie ist übrigens noch stärker von Männern dominiert als die Fotografie als künstlerisches Medium, zumindest im Großen und Ganzen. Erst kürzlich sprach im Buchpodcast des „Falter“ der Schriftsteller Doron Rabinovici in Zusammenhang mit seinem neuen Roman „Die Einstellung“ über Pressefotografen – und das ist jetzt nicht als generisches Maskulinum verwendet, denn in der Reihe derer, die er aufzählte, fiel tatsächlich kein einziger weiblicher Name. Offensichtlich ist er es gewöhnt, dass Zeitungen Männer, nicht aber Frauen ihn fotografieren lassen.

Online-Plattform visuelles.at (Foto: Marie Docher)

Wir sind die 12 Prozent!

Hier drückte sich symptomatisch ein Missstand auf, der leider zu wenigen auffällt.

Marie Docher schon. Die Frau bohrt echt dicke Bretter! Unter anderem betreibt sie die Online-Plattform visuelles.art, auf der sie Interviews mit Fotoexpertinnen publiziert. Und sie brachte es zuwege, dass sich die Fotopolitik des Blattes Libération änderte: 2020, so erzählte Marie, stammten 88 Prozent der Bilder dort von Männern. Was heißt das? Der mediale Blick auf die Welt ist ein männlicher. Doch anstatt sich mit Ärgern aufzuhalten, startete Marie eine Initiative und prangerte diese Zahlen an, hartnäckig und nachdrücklich. Ergebnis: Plötzlich engagierte das Blatt mehr Fotografinnen. Später waren dann mal in einem Monat schon 60 Prozent der Fotos von Frauen.

Ähnlich geschah es beim Rencontres d’Arles, einem internationalen Fotofestival. Ein offener Brief, den Marie gemeinsam mit anderen schrieb, fragte den damaligen Direktor ganz direkt: Wo bleiben die Frauen? Ergebnis: Berichterstattung quer über den Kontinent und darüber hinaus, Frauenquote, zack, nach oben. Die Strategie, sagte Marie bei unserem Talk, ist: Beschämung. Genau: Männer müssen sich rechtfertigen für ihre Entscheidung, Frauen auszuschließen. Nicht: Frauen müssen sich rechtfertigen für ihre Ambition, dabei zu sein.

Arbeiten des Kollektivs "The Journal", Foto Wien, Festivalzentrale (Gustinus-Ambrosi-Atelier), Foto Rudolf Strobl, Bildrecht, 2022
Arbeiten des Kollektivs „The Journal“, Foto Wien, Festivalzentrale (Gustinus-Ambrosi-Atelier), Foto Rudolf Strobl, Bildrecht, 2022

Pandemische Bilder

Charlotte Schmitz, die in Deutschland lebt, erzielte mit dem Kollektiv The Journal erstaunliche Erfolge . Vor zwei Jahren, als diese schreckliche Pandemie Frauen noch mehr zur Care-Arbeit hin- und aus dem öffentlichen Raum wegtrieb, gründete sie mit ihrer Kollegin Hannah Yoon and Friendzone.Studio ein Netzwerk aus hunderten weiblichen und nichtbinären Fotograf*innen weltweit, die in ihren Arbeiten die Pandemie reflektieren. In der großartigen Ausstellung der Foto Wien, „Fokus: Fotografinnen“ im Gustinus-Ambrosi-Atelier (nur noch bis 27.3., geht’s hin!) bekommen man einen Einblick in einige der Arbeiten. Charlotte lud ihre Kolleginnen ein, das Netzwerk uferte aus und verbreitete sich, vor allem über Social Media – Ergebnis: Große Medien wie der Spiegel und andere engagierten Fotografinnen für ihre Strecken.

209 Politikerinnen, 209 Fotografinnen

Ausstellung "209 Women", Open Eye Gallery, Liverpool 2019 (Foto: Tabitha Jussa)
Ausstellung „209 Women“, Open Eye Gallery, Liverpool 2019 (Foto: Tabitha Jussa)


Was man bewirken kann, zeigte auch Cheryl Newman bei dem Gespräch auf der Foto Wien. Sie ist nicht nur Künstlerin, sondern auch Kuratorin sowie frühere Fotochefin des Magazins „Telegraph“. Gemeinsam mit anderen gestaltete sie das Projekt „209 Women“, anlässlich des 100-jährigen Frauenwahlrechts in Großbritannien: 209 Fotografinnen fotografierten 209 weibliche Abgeordnete – es gab Sponsoring, sodass gute Honorare gezahlt werden konnten. In der Serie eröffnet sich ein multiperspektivischer Blick auf die Politikerinnen, der die traditionell öden Politikerporträts in Essig und Öl, großartig konterkariert. „The result is a diverse and fascinating series that makes for a visually exciting display“, schrieb Harpers Bazaar über die Arbeiten, die unter anderem in der Liverpooler Open Eye Gallery zu sehen waren, aber auch im Portcullis House in London, wo die MPs ihre Büros haben.

Doch, doch, es tut sich etwas. Super Fotografinnen gibt’s nämlich genug. Mit einigen von ihnen darf ich sogar arbeiten. Zum Beispiel mit Luiza Puiu, Monika Saulich und Rita Newman. Falls jemand da draußen großartige Porträtfotos braucht und ein halbwegs anständiges Honorar zur Verfügung stellen kann, ich vermittle gern den Kontakt.

Talk "Fokus Fotografinnen - Initiatives and Allies", Foto Wien, Festivalzentrale; v. li. n. re.: Ni.S., Cheryl Newman, Marie Docher, Charlotte Schmitz (Foto: Verena Kaspar-Eisert)
Talk „Fokus Fotografinnen – Initiatives and Allies“, Foto Wien, Festivalzentrale; v. li. n. re.: Ni.S., Cheryl Newman, Marie Docher, Charlotte Schmitz (Foto: Verena Kaspar-Eisert)

* Transparenzhinweis: Natürlich bekommt man für so eine Moderation Honorar.

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