Längst hätte Elke Silvia Krystufek eine Mid-Career-Survey in einem Museum verdient. Die Galerie Wienerroither & Kohlbacher holt das jetzt nach.

„Die Regierung will“: Drei Wörter, in bunten Lettern stehen sie mitten im Bild, Fragmente davon wiederholen sich. Darunter sitzt eine Figur, wahrscheinlich eine Frau, aber genau wissen tun wir’s nicht. Das prächtige Gewand verhüllt ihren Körper, ein Niqab lässt nur die Augen frei. Als Künstlerin, die sich mit Körpern beschäftige, sei für sie die „gesamte Verschleierungsfrage“ sehr spannend, sagte Elke Silvia Krystufek meiner Kollegin Almuth Spiegler in der „Presse“. Aber sie betrachte den Schleier auch als „Waffe gegen die Überwachungsgesellschaft“. Schon seit Längerem befasst sie sich damit. Eine Zeitlang trat sie sogar selbst mit Hidschab auf. Das nenne ich mal Verstörung!

Ebenso verstörte Elke Krystufek ihre Gastgeber in „Willkommen Österreich“, als sie den einen Moderator mit Kunstblut beschmierte und das Publikum mit Sushi fütterte. Und in ihrem Bild hier, das die Galerie Wienerroither & Kohlbacher in den prunkvollen Räumen des Palais Schönborn-Batthyány ausstellt, stört eine massive Figur, ein Monolith aus Ornament und Textil das, was „die Regierung will“. Sie widersetzt sich dem, was die Regierung will. Weil: Nur selten geht es darum, was muslimische Frauen oder Mädchen wollen. Und meistens sind es Männer, die genau wissen, die immer schon gewusst haben, wer sich warum wie zu kleiden hat. Auch die aktuelle Ausstellung im Weltmuseum zeigt das. Doch Krystufek setzt diesem „Die Regierung will“ einen starken Körper entgegen, der nicht zu übersehen ist. Ebenso wenig der scharfe Blick, der durch die Schlitze des Niqab dringt.
Auch Elke Silvia Krystufeks neue Fotoserie verstört. Sie agiert dabei rund um das Denkmal von Rachel Whiteread am Judenplatz. Da lümmelt sie lächelnd in kanariengelben Outfit neben den Inschriften, ein Foto von Karl Ove Knausgård in der Hand, der erst kürzlich mit seinem autobiografischen Schmöker „Mein Kampf“ Aufsehen erregte. Das Bild ist ein Verstoß in mehrerlei Hinsicht: die knallige Farbe des Gewands. Der kurze Rock. Das Grinsen.

Mir fällt ein, wie sich Menschen auf Facebook oder Instagram neben Mahnmalen inszenieren: gerunzelte Stirn, betroffener Blick. Ein Repertoire, das selbst die Herren der FPÖ perfekt beherrschen. Die Künstlerin macht genau das Gegenteil davon. „Elke Silvia Krystufek erschafft ihre eigene Definition von politischer Korrektheit und stößt damit an die Grenzen der Gesellschaft. Genau das macht sie zu einer rebellischen Künstlerin, einer guten Künstlerin, einem Bad Girl“, schreibt Barbara Steffen im Ausstellungskatalog. Das Bild, das wir – und das betrifft auch und vor allem Menschen, die sich in der Kunstwelt herumtreiben – vom Schleier oder aber vom „richtigen“ Gedenken haben: Das stellt Elke Silvia Krystufek auf die Probe und in Folge auf den Kopf.
In der Ausstellung geht es eigentlich um Luxus, eine Klammer, die ich hier etwas zu bemüht finde. Tatsächlich ist sie eine Art Mid-Career-Survey. Sie beginnt mit frühen Arbeiten, in denen die Künstlerin bereits als Mittelschülerin Schiele und Kokoschka kopierte, ein bisschen auch persiflierte und geht bis in die Gegenwart. Es gibt übrigens mehrere Wiener Museen, denen eine solch umfassende Krystufek-Schau ebenfalls gut angestanden wäre.
