Wo bleibt die Geburtsausstellung?

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Vom Frauenmuseum Hittisau war hier ja schon mal die Rede. In der Zwischenzeit hat es mal wieder einen internationalen Museumspreis eingeheimst. Kürzlich, als ich wegen eines anderen Projekts (ich will wieder ein Buch schreiben) im Ländle war, stand Hittisau natürlich fix am Fahrplan. Auch deswegen, weil die aktuelle Ausstellung ein so existenzielles Thema beleuchtet: nämlich die Geburt („Geburt. Vom Gebären und Geboren werden“, bis 31. Oktober). Die Kuratorinnen Stefania Pitscheider Soraperra, Anka Dür und Brigitta Soraperra fächern ihr Sujet in verschiedenen Bereichen mit tollen und überraschenden Exponaten auf; mich persönlich beeindruckte sehr stark ein Interview mit der Lustenauer Hebamme Andrea Schwarz, die von ihren Erlebnissen in Krisengebieten berichtete, so empathisch und ruhig, wie man sich das von einer Geburtshelferin nur wünschen kann. Also falls ihr euch die Ausstellung anschaut: Spezialempfehlung für dieses Gespräch. 

„Geburt. Vom Gebären und Geboren werden“, Ausstellungsansicht Frauenmuseum Hittisau (c) Angela Lamprecht

Das soll bitte jemand machen!

Die Kuratorinnen nehmen einen kulturhistorischen Blickwinkel ein, auch wenn viele Kunstwerke enthalten sind. Das entspricht dem Charakter des Museums und hat natürlich seine absolute Richtigkeit. Dennoch führte es mich zu der Frage: Welche groß angelegten Kunstausstellungen gab es bisher zu Geburt und Schwangerschaft? Da weder Bibliothekskataloge noch Google wirklich befriedigende Ergebnisse lieferten, tat ich, was ich tun musste: Ich befragte die Social-Media-Schwarmintelligenz. Es kamen zahlreiche Hinweise auf Ausstellungen zu Mutterschaft, auf einzelne Werke, auf kleine Projekte – aber den großen kuratorischen Wurf zu Geburt in der Kunst fand ich auch auf diese Art nicht. Also: Das soll jetzt bitte mal jemand machen. Fantastische Kuratorinnen gibt es genug, und die Ausstellung in Hittisau birgt diese Ausstellung im Nukleus schon in sich. Daher stelle ich euch hier meine künstlerischen Highlights in „Geburt. Vom Gebären und Geboren werden“ vor. 

Mary Kelly, „Antepartum“, 1973

Ein Klassiker der feministischen Kunst. Es war 1973, als der Künstlerin auffiel, dass sich kaum je eine Künstlerin mit Geburt und Schwangerschaft befasst hat. In ihrer Arbeit „Antepartum“ filmte sie ihren Bauch, in dem der Fötus herumwerkte. Obwohl man’s jetzt eh schon wissen könnte, ist man immer noch erstaunt über die Monumentalität dieser Körperlichkeit, über die Ungeheuerlichkeit, dass da ein anderer Mensch drin ist. Nach der Geburt stellte Kelly (in „Post-Partum Document“) die Windeln des Babys aus, das Ganze begleitet von einer Publikation, die minuziös alles aufzeichnete. Das Verborgene tritt uns in all seiner Massivität und Vitalität entgegen. 

Mary Kelly, „Antepartum“, 1973

Anna Witt, „Die Geburt“, 2003

Anna Witt sollte man sowieso kennen, längst hätte ihr ein Haus eine größere Ausstellung widmen können (die Personale im Belvedere21 war ein Anfang). Ihre Videoarbeit „Die Geburt“ ist ein Frühwerk. Die Künstlerin kriecht nackt unter das Nachthemd, das ihre Mutter bedeckt – begibt sich also gewissermaßen noch einmal in diese Fötusposition –, um sich dann daraus wieder zu befreien. Ein Luftschlauch verbindet die beiden. Das Setting mit diesem geblümten Nachthemd und dieser Holzvertäfelung und die Dialoge zwischen den beiden, die sich in der ganzen Wurschtelei einmal zurecht finden müssen: Das ist ganz schön witzig. 

Anna Witt, „Die Geburt“, 2003 © Frauenmuseum Hittisau Angela Lamprecht

Louise Bourgeois, “The Reticent Child”, Ex Libris aus “Louise Bourgois presents: Receuil des Secrets de Louyse Bourgeois (1635)“, 2005

An der Mutter hat sich Louise Bourgeois lange abgearbeitet, mit ihren Spinnen. Ihr Ex Libris mit dem Titel „The Reticent Child“, also „das zurückhaltende Kind“ kannte ich bisher nicht. Die Offsetlitho, die das Frauenmuseum zeigt, basiert auf einer Kaltnadelradierung, die zu einer dreiteiligen Serie gehört. Im Mutterleib, der wie die schönen Frauenkörper im Josephinum aufgeschnitten ist, köpfelt das Kind schon Richtung Ausgang. Ziemlich lapidar erscheint die Mutter wie ein Gefäß für den Fötus. Und ehrlich, so kommt einer die ganze Angelegenheit in der Schwangerschaft ja manchmal vor (gibt schönere Gefühle).

Louise Bourgeois, „The Reticent Child“, 2005

Annegret Soltau, „Symbiose“, 1980

Auch so eine noch breiter zu entdeckende Künstlerin: Schon früh hat Annegret Soltau sich mit Geburt und Schwangerschaft befasst, einige Arbeiten gibt es auch in der famosen Sammlung Verbund. Das Frauenmuseum zeigt eine elfteilige Fotoserie mit dem Titel „Symbiose“. Eine Frau mit Säugling wird von Bild zu Bild überwuchert von fadenartigen Strichen, bis am Ende ein schwarzes Loch übrig bleibt. Die neugeborene Mutter wird zuerst unsichtbar, dann ihr Kind. Was für ein treffendes Bild: Nach der Geburt verschwindet die Mutter aus dem Blickfeld.

Judith P. Fischer, „evola morphing“, 1997

Ich mag die Skulpturen von Judith P. Fischer, sie sind durchdacht und fein. In „evola morphing“, einer Serie von C-Prints, ergänzt durch ein Objekt und einen Film, verwandelt sie einen zusammengekauerten nackten Körper in eine geometrische ovale Form – es ist gewissermaßen der Geburtsprozess in Rewind-Modus. Es geht aber auch um Sichtbarkeit: Deuten sich in Kellys Bauch die Bewegungen des Kindes an, so zeigt Judith P. Fischer den Körper, der hier schon ein erwachsener ist. 

Judith P. Fischer, „evola morphing“, 1997

Na, vielleicht kommt ja doch irgendwann einmal die große Ausstellung zur Geburt! Es ist nämlich keineswegs so, dass es keine Kunstwerke dazu gäbe. 

Und noch etwas:

Am Ende noch ein Hinweis in eigener Sache, und weil’s letztens angekündigt war: Am 30. Juni präsentieren wir meine Biografie über Margot Pilz in der Kunsthalle Wien. Freu mich, wenn ihr kommt!   

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