Deborah de Robertis‘ absurde Attacke auf feministische Kunst

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Wie man feministischen Anliegen im Kunstbetrieb einen richtigen Bärendienst erweist, das zeigte am Montag eine Performancekünstlerin im Centre Pompidou Metz. Deborah de Robertis inszenierte eine Aktion in der Ausstellung „Lacan. The Exhibition. When Art meets Psychoanalysis“: Zwei von ihr engagierte Aktivistinnen – nicht Deborah de Robertis selbst – beschmierten Gustave Courbets „L’Origine du Monde“ mit dem Schriftzug „MeToo“, in dicken roten Lettern. Genauer gesagt: nicht das Gemälde selbst, sondern das Glas, das dieses schützt.

Aktion von Deborah de Santis, Centre Pompidou Metz, in der Ausstellung „Lacan“, 6. Mai 2024 (Screenshot Video Deborah de Robertis, Vimeo)

Bis hierher wäre diese Art von Performance ähnlich einzuordnen wie die Aktionen der Letzten Generation, die in Wien beispielsweise das Schutzglas eines Klimts im Leopold Museum mit Farbe überschütteten. Die Aktionen selbst fand ich ebenso überzogen wie die Reaktionen darauf.

„Me too, me too“

Es kamen aber noch weitere Exponate zum Handkuss, und zwar ausgerechnet solche von feministischen Künstlerinnen: von Louise Bourgois, Rosemarie Trockel und VALIE EXPORT, nämlich ihr Foto „Aktionshose: Genitalpanik“ (1969), sowie ein Bild von Deborah de Robertis selbst, das in der Ausstellung hing: Sie hatte sich 2014 , nackt und mit gespreizten Schenkeln, vor „L’Origine du Monde“ sitzend, fotografiert. Ein Werk, mit dem sie sich ihrer Aussage zufolge auch auf VALIE EXPORTs „Aktionshose: Genitalpanik“ bezog. Auf einem Video sieht man die Aktivistinnen, wie sie die Bilder bekritzeln und dann „Me too, me too“ skandieren. Ein weiteres Werk – aus der Serie „Proverbes“ von Anette Messager – wurde gestohlen. Offenbar verwahrt es derzeit Deborah de Robertis selbst, wie sie auf ihrem fleißig bespielten Instagram-Account schrieb.

Die Medien, bis auf einige wie zum Beispiel artnet, kaprizierten sich in ihrer Berichterstattung auf „L’Origine du Monde“. Sogar der heimischen Presse (hier und hier) war, jedenfalls zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Blogbeitrags, entgangen, dass das Werk einer österreichischen Künstlerin tatsächlich beschädigt wurde.

Aktion von Deborah de Santis, Centre Pompidou Metz, in der Ausstellung „Lacan“, 6. Mai 2024 (Screenshot Video Deborah de Robertis, Vimeo)

Während Courbets „Origine du Monde“ unversehrt bleibt, ist VALIE EXPORTs Fotografie, die auf Alu kaschiert und ohne Schutzglas ist, in Mitleidenschaft gezogen. Zwar behauptet de Robertis auf Insta, dass die Farbe „innerhalb einer Sekunde und ohne Schaden“ zu entfernen sei. Das ist aber unwahrscheinlich. Sigrid Guggenberger, Managing Director des Studios von VALIE EXPORT, schrieb mir, dass die Restaurierwerkstätten des Centre Pompidou gerade Tests mit den Farbrückständen, die sich am Boden befanden, durchführten. Die Oberfläche der Fotografie sei, so Sigrid Guggenberger, „besonders sensibel einzustufen, sodass anzunehmen ist, dass eine Rückführung in den Originalzustand nicht möglich sein wird.“

„As a collaboration“

Am Tag vor der Aktion schrieb Deborah de Robertis ein Mail an VALIE EXPORT, auch das hat sie auf Instagram publiziert. Sie teilt ihrer älteren Kollegin darin folgendes mit: „I want to explain my position regarding my gesture and propose a collaboration and include your photo in my performance.“ Ihre Aktion werde kein Angriff sein, „but it is about demanding you a position as a woman artist in the me too movement.“ Und sie würde sich freuen, wenn VALIE EXPORT ihr Werk dann so belassen würde wie es jetzt ist: „as a collaboration between both of us“.

Frauensolidarität und Sisterhood gehen anders. Nimmt man die Aktion als künstlerische Performance ernst – und diesen Anspruch erhebt Deborah de Robertis ja – dann bleibt sie völlig wirr: Denn ausgerechnet feministische Kunst zu kapern, und das ohne Einverständnis ihrer Schöpferinnen, um selbst ein feministisches Kunstwerk zu produzieren, aber auch, um ein Spektakel zu produzieren: Das ist nicht nur absurd, sondern auch ein Übergriff – ausgerechnet gegenüber Kolleginnen. Auch in der Kunst gibt es feministischen Aktivismus, spätestens seit den Guerilla Girls. Er zeichnet sich meist durch eine kollektive Anstrengung aus, nicht durch einen Angriff auf andere Künstlerinnen.

Deborah de Robertis
VALIE EXPORTs „Aktionshose: Genitalpanik“, nach der Aktion von Deborah de Robertis im Centre Pompidou Metz (Foto: Studio VALIE EXPORT)

VALIE EXPORT reagierte unerfreut, aber cool. Jedes Kunstwerk habe eine autonome Sprache, schrieb sie in einem Statement, „in die ohne Einverständnis des Kunstschaffenden nicht eingegriffen werden kann. Wird diese autonome Sprache durch einen, nicht von den Kunstschaffenden autorisierten, Eingriff verletzt, ist es ein nicht gestatteter Eingriff, die Autonomie des Kunstwerks wird zerstört“. Der Text hängt nun an der Stelle, wo vorher die Fotografie war.

„Fanatische Feministinnen“

Die Aktion von Deborah de Robertis schadet nicht nur VALIE EXPORTs Arbeit (die anderen Kunstwerke waren, wie der Courbet, hinter Glas), sondern auch feministischen Anliegen. Wasser auf den Mühlen derer, die diese ohnehin schon immer überflüssig fanden! Der Bürgermeister von Metz ortete schon „einen neuen Angriff auf die Kultur, diesmal durch fanatische Feministinnen.“ Jetzt sind wir also wieder bei den „fanatischen Feministinnen“ – eine in vergangenen Zeiten strapazierte Wortkombination. Angesichts der Tatsache, dass längst große Modelabels T-Shirts mit Aufdrucken wie „We should all be feminists“ ihr gutes Geschäft mit Pinkwashing machen, hatte ich sie für überwunden gehalten. Auch die Erinnerung an Mary Richardson, jene Suffragette, die aus Solidarität mit ihrer Mitstreiterin Emmeline Pankhurst Vélazquez‘ „Venus vor dem Spiegel“ aufschlitzte, hilft nicht weiter.

Instagram-Kanal von Deborah de Robertis, links: „Miroir de L’Origine“, Performancefotografie von de Robertis

Jetzt wäre es verführerisch, Deborah de Robertis in Bausch und Bogen zu verdammen. 

Skandalöses Verhalten

Doch so einfach ist es nicht. Denn in einem Blogbeitrag beschuldigt sie einige im französischen Kunstbetrieb mächtige Männer sexueller Gewalt. Den Kurator der Ausstellung, der sie bedrängt und sexuell ausgebeutet habe. Ihren Professor, der das ebenfalls getan und darüber hinaus in Inzestfantasien mit seiner Tochter geschwelgt habe. Einen Sammler, der sie „unter dem Deckmantel des Kunstmäzenatentums zu deiner Hure“ gemacht und zu ihr gesagt habe: „Jetzt hältst du dein Maul und spreizt die Schenkel“. Es kommt einer das Kotzen, wenn man das liest. Ob es stimmt, kann sich aus der Ferne kaum beurteilen lassen. Dafür braucht es akribische und nervenzehrende monate-, wenn nicht jahrelange Recherche. Die muss getan – und finanziert – werden.

Aktion von Deborah de Santis, Centre Pompidou Metz, in der Ausstellung „Lacan“, 6. Mai 2024 (Screenshot Video Deborah de Robertis, Vimeo)

Es gibt eine Reihe vandalistischer Akte gegenüber Werken feministischer Künstlerinnen – von der Beschädigung einer Arbeit Miriam Cahns im Palais de Tokyo über die Zerstörung einer Installation von Katharina Cibulka in Ljubljana bis zu einer Ausstellung anlässlich des Frauentags 2023 im argentinischen Mendoza, die Erzkatholische gleich als Ganzes verwüsteten. Dieser hier nimmt eine besondere, unerfreuliche, aber leider auch ambivalente Rolle ein. Sollten Deborah de Robertis Vorwürfe stimmen, so hätte die französische Kunstwelt einen Riesenskandal. Aber: Wird die öffentliche Diskussion überhaupt soweit kommen? Wird sich ein:e ambitioniert:e Kolleg:in dahinterklemmen und den Vorwürfen seriös nachgehen? Oder wird das Ganze überschattet von dieser unglücklichen Art des Protests, ähnlich wie bei der Letzten Generation? 

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